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Bewohnern von Karibikinseln droht die finanzielle Isolierung.

Epa, Gernot Hensel

Seit den Enthüllungen aus den Panama Papers vergeht kaum ein Tag, an dem nicht irgendein Politiker in Europa oder den USA für eine härtere Gangart im Kampf gegen Steuerhinterziehung und Geldwäsche plädiert. Steueroasen sollen auf eine schwarze Liste kommen, intransparente Länder sanktioniert werden. Das fordern die Finanzminister in Rom, Berlin und Paris derzeit laufend.

Doch bei der Weltbank und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) in Washington wächst die Furcht, dass die neue Welle an Aktionismus gegen illegale Geldflüsse eine unerwünschte Nebenwirkung haben wird. Ganze Länder, die im Verdacht stehen, zwielichtig zu agieren, könnten den Zugang zum internationalen Finanzsystem verlieren. Eine Folge wäre, dass Millionen von Menschen nicht mehr auf die Dienstleistungen von Banken zugreifen können oder wenn, dann nur zu einem exorbitant hohen Preis. Was nach einem Zukunftsszenario klingt, hat in den vergangenen Monaten in Teilen der Welt bereits begonnen, sagen Experten der Weltbank und des IWF. Es gibt schon einen Fachbegriff dafür: "De-Risking."

Gangart verschärft

Aber was geht da vor? Wer eine Antwort auf diese Frage sucht, muss Emile Van der Does treffen. Der schlanke Däne beschäftigt sich im Auftrag der Weltbank damit, wie der Kampf gegen Geldwäsche und die Finanzierung von Terrorismus vorangeht.

In den vergangenen Jahren hat die internationale Gemeinschaft die Gangart gegen Kriminelle verschärft, erzählt Van der Does. Die FATF, eine internationale Organisation, die den Kampf gegen Geldwäsche koordiniert, hat strengere Empfehlungen erlassen. In Europa und den USA wurde unter dem Eindruck der Finanzkrise der Kampf gegen Steuerhinterzieher verstärkt.

Hohe Strafen für Banken

Doch dann geschah etwas Unerwartetes. Die oberste Prämisse der neuen Regeln gegen Geldwäsche und Hinterziehung lautet: Kenne deinen Kunden, schätze das Risiko bei jedem gut ein. Banken sollen damit sicherstellen, dass sie nicht ein Konto für einen Terroristen führen oder Geld an die Mafia überweisen. "Doch in vielen Fällen sind solche Nachforschungen kompliziert und kostspielig", sagt Van der Does. Nicht immer sind Ergebnisse sicher. Und Banken bekamen es mit der Angst zu tun.

Denn in den vergangenen Jahren fasste eine Reihe von Banken hohe Strafen wegen Rechtsverstößen aus. Allein 2012 mussten Kreditinstitute 3,5 Milliarden Dollar an Pönalen an Aufseher in Großbritannien und den USA zahlen. Davon betroffen war etwa die HSBC mit Sitz in London. Die Bank wurde gestraft, weil sie Geldtransfers für mexikanische Drogenkartelle durchgeführt hat und Kundenbeziehungen im Iran, in Kuba und dem Sudan unterhielt. Alles von den USA sanktionierte Länder. Auch für BNP Paribas und die Deutsche Bank gab es wegen ähnlicher Vergehen hohe Pönalen.

Erste Studien

Vor dem Hintergrund der empfindlichen Strafen begannen immer mehr westliche Finanzinstitute, Länder ganz zu meiden. Sie stellten also Beziehungen zu lokal tätigen Kreditinstituten und Unternehmen ein. "Natürlich geschah das vor allem dort, wo die Risiken hoch und Profitchancen eher gering schienen", so Van der Does.

Im vergangenen Jahr hat die Weltbank eine erste Studie zu dem Thema durchgeführt: Von rund 200 befragten Banken gaben mehr als die Hälfte an, Geschäftspartner in Europa und den USA einzubüßen. Hauptbetroffen sind karibische Länder und Territorien wie Barbados, die Bahamas und die Caymans, aber auch zentralamerikanische Staaten wie Belize. Mehr als drei Viertel der befragten Banken in diesen Ländern geben an, darunter zu leiden, dass sie von ausländischen Geldhäusern nicht als Partner akzeptiert werden.

Auch die Seychellen und Tuvalu bekommen das Phänomen zu spüren und sogar Mexiko und die Philippinen. Die mexikanische Zentralbank musste vor wenigen Wochen bekanntgeben, dass sie selbst damit beginnen wird, Geldtransfers von und in die USA auf elektronischen Plattformen zu überwachen und durchzuführen. Immer mehr mexikanische Banken hatten beklagt, keinen Zugang mehr zum US-Bankensystem zu haben. Mexiko gilt als ein Hotspot für Drogengelder aus den USA.

Weniger Aktivitäten

Hinzu kommt, dass parallel zum De-Risking viele Banken aus Europa ihre Aktivitäten auch als Folgewirkung der Finanzkrise zurückfahren. Sie wollen sich auf einige Regionen konzentrieren. Die britische Barclays etwa hat erst im März angekündigt, einen ganzen Kontinent zu verlassen und ihr Afrika-Geschäft zu verkaufen.

Das Problem ist, dass als Ergebnis all dieser Tendenzen in einigen Regionen die Überweisungen von Gastarbeitern an ihre Angehörigen zu Hause schwieriger werden. In vielen Ländern sind diese Zahlungen eine der wichtigsten Einnahmequellen. Nach Jamaica oder Bermuda schicken Gastarbeiter jedes Jahr Beträge in Höhe von 20 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Ohne dieses Geld wären viele Familien mittellos.

Teurere Überweisungen

Analysen der Weltbank zeigen, dass westliche Banken besonders Dienstleister zu meiden beginnen, die Geldtransfers offerieren. Das verteuert dann Überweisungen. Manchmal sind sie elektronisch gar nicht mehr möglich. "Es gibt anekdotische Erzählungen, dass einige Firmen tatsächlich Mitarbeiter mit Geldkoffern losschicken müssen", sagt Van der Does.

Auch ob der Exodus stärker wird oder abnimmt, sei nicht prognostizierbar, sagt der Däne. Im schlimmsten Fall fürchten er und seine Kollegen eine Welt, in der einzelne Länder den Zugang zum ausländischen Finanzsystem komplett verlieren. Um das zu vermeiden, soll in einem ersten Schritt die Zusammenarbeit mit Finanzaufsehern in den betroffenen Ländern intensiviert werden – sie sollen zeigen, dass sie selbst gegen kriminelle Handlungen vorgehen. (András Szigetvari aus Washington, 20.4.2016)