Jerusalem – Weil er einen am Boden liegenden, verletzten palästinensischen Angreifer mit einem Kopfschuss tötete, muss sich ein israelischer Soldat wegen Totschlags vor Gericht verantworten. Der 19-Jährige sei wegen Totschlags und nicht wegen Mordes angeklagt worden, verlautete am Montag aus Justizkreisen.

Über den Fall wird bis in die Regierung hinein gestritten, Menschenrechtsorganisationen werfen dem Soldaten eine "standrechtliche Hinrichtung" vor.

Messerangriff

Ein Anrainer in Hebron im Süden des besetzten Westjordanlandes hatte die Szene am 24. März gefilmt, das Video war öffentlich geworden. Der 21-jährige Palästinenser Abdul Scharif hatte mit einem Komplizen einen Soldaten mit einem Messer angegriffen und verletzt, wurde dann angeschossen und lag blutend auf der Straße. Elf Minuten nach seinem Angriff kam ein Militärsanitäter herbei – und tötete den wehrlosen Palästinenser ohne ersichtlichen Grund aus der Nähe mit einem Kopfschuss.

Der Militärsanitäter muss sich vor einem Militärgericht auf dem Stützpunkt Bar-Lev verantworten. Er habe die Einsatzregeln ohne Rechtfertigung verletzt, da "der Terrorist verletzt auf dem Boden lag und keine unmittelbare Bedrohung darstellte", heißt es im Anklagetext. Totschlag ist nach israelischem Recht eine absichtliche, aber keine geplante Tat. Sie wird weniger hart bestraft als ein vorsätzlicher Mord.

Streit

Der Todesschuss löste in Israel scharfe Kontroversen aus. Rechte Kreise forderten, den Soldaten sofort freizulassen. Armeeführung und Bürgerrechtler dagegen verurteilten sein Vorgehen scharf.

In den vergangenen sechs Monaten haben Palästinenser mehr als 300 Anschläge auf Israelis verübt, zumeist mit Stichwaffen. Zahlreiche Angreifer wurden am Tatort erschossen. In mehr als einem Dutzend Fällen wurde den israelischen Sicherheitskräften eine unverhältnismäßige Gewaltanwendung gegen kampfunfähige Palästinenser vorgeworfen. Sofern Untersuchungen eingeleitet wurden, führten sie bisher zu keinen offiziellen Beschuldigungen wegen Fehlverhaltens. (APA, 18.4.2016)