Hardrocker mit Bezug zum Judentum: die Band Kiss.

Foto: Kiss/Epicrights

Wien – Wie kommt der weiße Teddybär mit den schwarzen, gezackten Augenringen und den silberfarbenen Stiefelchen ins Jüdische Museum? Nun: Er ist ein Merchandising-Artikel der US-amerikanischen Hardrockband Kiss. Ja, das sind die stark geschminkten Herren, die das Doppel-s in ihrem Logo in Runen schreiben, freilich aus Gründen der Ironie. Der Band ist ein Feature in der Ausstellung Stars of David gewidmet. Die rollt die Erfolgsgeschichte jüdischer Musiker im 20. Jahrhundert auf. Und Kiss-Bassist Gene Simmons ist jüdischer Abstammung.

Bis zur Abteilung "Hard & Heavy" ist es indes ein weiter Weg durch die nach Genres unterteilte Präsentation. Lang ist die Liste von Musikern mit Bezug zum Judentum, die die Geschichte moderner Unterhaltungsmusik mitgeschrieben haben. Sie beginnt in Hollywood und am Broadway, mit Komponisten wie Erich Wolfgang Korngold oder Irving Berlin, dessen God Bless America als "inoffizielle Hymne der USA" gilt. Über Jazzprotagonisten von Benny Goodman bis John Zorn geht es zu den Beastie Boys und den Sex Pistols, von dort zu Amy Winehouse selig oder Asaf Avidan. Um nur die wenigsten zu nennen.

Atmosphärisch liebevoll

Angesichts der Menge setzt das Jüdische Museum zunächst auf Ausschnitte: Projektionen zeigen ein paar Takte von diesem, ein paar von jenem. Dazu bestaunt man Plakate, Fotos, Platten- oder Buchcovers. Die Räume sind überaus liebevoll gestaltet, jener über Jazz erinnert etwa dank Kaffeetischchen und Instrumenten auf einer Bühne an einen Jazzclub. Überhaupt steht das Atmosphärische stark im Vordergrund. Denn Memorabilia wie Manfred Manns Synthesizer oder ein Kleid Esther Ofarims versprechen nicht gerade thematisch einschlägige Erkenntnisgewinne.

Abrissweise geht es auch um lokale Szenen – zu Arik und Timna Brauer nach Österreich oder zu Serge Gainsbourg nach Frankreich. Schade ist, dass sich der Wille, möglichst viel unterzubringen, mit der Aufmerksamkeitsökonomie spießt, sodass Stars of David stellenweise gar zur Namenaufsagerei gerät. Spannend im Hinblick auf tatsächliche Verbindungen zwischen Religion und Musik wären Geschichten wie jene von Sammy Davis jr., der nach einem Autounfall zum Judentum konvertierte. Sie geraten so aber ins Hintertreffen. Immerhin: Loggt man sich ins lokale WLAN ein, bekommt man vertiefende Informationen oder Videos.

Wenn Aliens auf die Erde kämen ...

Erhellend sind auch Interviews, die mit Protagonisten oder Wissenschaftern geführt wurden. In O-Tönen und Anekdoten nähert man sich dann doch der Frage, wie jüdische Tradition in die tonsetzerische Arbeit einfloss, aber auch der Klarinette als Schnittpunkt zwischen Klezmer und Jazz. Immer wieder Thema ist die "gemeinsame Geschichte" jüdischer und schwarzer Minderheiten.

Die Stärke von Stars of David liegt in den Entgrenzungsideen, den Ideen von "sozialer Gerechtigkeit", die die Musik immer wieder nachdrücklich ventiliert hat – ironischerweise nicht selten unabhängig von der Religionszugehörigkeit. Tatsächlich leben viele der vorgestellten Musiker, etwa Billy Joel, säkular. Und Gene Simmons hat schon recht, wenn er räsoniert: "Wenn Aliens auf die Erde kämen, dann wären wir für sie vor allem: Menschen." (Roman Gerold, 19.4.2016)