Wien – Die Neue Mittelschule sorgt dafür, dass etwas mehr Schüler in höhere Schulen aufsteigen als zuvor Hauptschüler. Allerdings bleiben die Neuen Mittelschüler in der ersten Klasse Gymnasium oder an der berufsbildenden Schule öfter sitzen. Das zeigt die Auswertung "Bildung in Zahlen" für das Schuljahr 2014/15, die die Statistik Austria am Montag präsentierte.

"Aus unseren Analysen lässt sich ableiten, dass es durch die Formveränderung von Hauptschule zu Neuer Mittelschule einen Boost gegeben hat, was die Übertrittsquoten betrifft", sagt Konrad Pesendorfer, Generaldirektor der Statistik Austria. "Die Selektion nachher fällt für diese Schüler aber offensichtlich härter aus als früher, als sie von der Hauptschule gekommen sind."

In Zahlen ausgedrückt: Von 100 Hauptschülern des Abschlussjahrgangs 2010/11 sind 36 in eine höhere Schüler übergetreten, davon sind 26 in die nächste Klasse aufgestiegen. Von 100 Kindern aus dem Abschlussjahrgang 2012/13 der Neuen Mittelschulen sind 46 an höhere Schulen gewechselt, allerdings haben nur 32 von ihnen den Aufstieg in die nächste Klasse geschafft.

Grafik: Gerald Gartner
Grafik: Gerald Gartner

Pesendorfer empfiehlt, diese Ergebnisse künftig genauer zu analysieren. Für die Neue Mittelschule wurden die Leistungsgruppen abgeschafft und ein anderes Beurteilungssystem als in den Hauptschulen eingeführt. NMS-Schüler werden – je nach Leistung – in vertiefender oder in grundlegender Allgemeinbildung unterrichtet und beurteilt.

Ob die Ergebnisse nun bedeuten, dass in der ersten Leistungsgruppe der Hauptschule qualitativ hochwertiger ausgebildet wurde, kann Pesendorfer noch nicht beantworten. "Das muss man analysieren." Es bestehe aber offenbar ein Unterschied im Lernstoff oder in der Qualität des Unterrichts, der dazu führe, dass Schüler aus den Neuen Mittelschulen "größere Schwierigkeiten" hätten, als das zuvor der Fall gewesen sei. Hauptschüler, die später höhere Schulen besuchten, "waren vom Bildungsniveau her offensichtlich den AHS-Unterstuflern näher".

Bessere Aufstiegsschancen

Trotzdem: Der Aufstieg in höhere Schulen ist durch die Neuen Mittelschulen wahrscheinlicher geworden. Erstmals abgeschlossen haben Schüler die Neue Mittelschule 2010/11. 41,5 Prozent dieser Kinder besuchten nach ihrem Abschluss eine höhere Schule. Von ihren Kollegen, die im Jahr davor noch einen Hauptschulabschluss gemacht hatten, traten nur 33,9 Prozent in eine höhere Schüler über. Das ist ein Zuwachs von 7,6 Prozentpunkten. Auffällig ist aber, dass die Übertrittsraten wieder sinken. Nur mehr 40,1 Prozent der Absolventen dieser Neuen Mittelschulen der ersten Stunde wechselten 2013/14 an eine höhere Schule.

Auf den Bildungsaufstieg hat der Schulstandort einen wesentlich größeren Einfluss als der Schultyp.
Foto: Standard/Fischer

Bei Hauptschulen, die 2009/10 in Neue Mittelschulen umgewandelt wurden, lagen die Übertrittsraten in höhere Schulen bei den ersten NMS-Abschlussklassen 9,5 Prozentpunkte über jenen der Abschlussklasse der Hauptschulen im Jahr davor. 7,8 Prozentpunkte Unterschied gibt es zwischen Abschlussklassen von Hauptschulen und Neuen Mittelschulen, die 2010/11 umgewandelt wurden.

Standort entscheidend

Einen wesentlich größeren Einfluss auf den Bildungsaufstieg als der Schultyp hat den Daten der Statistik Austria zufolge allerdings der Schulstandort. In dicht besiedelten Gebieten wie in Wien, Graz und Linz besuchen nur 63,7 Prozent der Kinder mit deutscher Muttersprache aus Neuen Mittelschulen später eine höhere Schule. Bei deutschsprachigen Kindern aus dünn besiedelten Gebieten beträgt die Aufstiegsrate 78,8 Prozent. Kinder mit nichtdeutscher Umgangssprache in dünn besiedelten Gebieten stiegen zu 72 Prozent auf, in dicht besiedelten Gebieten nur zu 53,1 Prozent.

"Mehr als auf den Schultyp kommt es auf den einzelnen Standort an", sagt Studienautorin Regina Radinger. Es gebe in manchen Jahren Hauptschulen, von denen kein einziger Schüler an höhere Schulen übergetreten sei, an anderen Hauptschulen seien es 90 Prozent der Absolventen gewesen.

Mehr Akademiker

Die Studie "Bildung in Zahlen" analysiert nicht nur Neue Mittelschulen, sondern das gesamte österreichische Bildungssystem. Hier gibt es eine erfreuliche Nachricht: Noch nie haben so viele Österreicher einen akademischen Abschluss gehabt wie 2013, der Anteil liegt bei 15,7 Prozent. Im Vorjahr lag er bei 15,2 Prozent, 1991 lediglich bei 4,5 Prozent.

Allerdings erreichten nur 6,8 Prozent der Kinder, deren Eltern einen Pflichtschulabschluss haben, einen akademischen Abschluss. Umgekehrt schließen 31,7 Prozent der Kinder aus Akademiker-Haushalten eine Hochschule ab. Die Daten stammen aus der Piaac-Studie des Jahres 2011/12. "Der Übergang in den Bildungsgenerationen gestaltet sich in Österreich sehr träge", sagt Pesendorfer. (Lisa Kogelnik, 18.4.2016)