Schwarze Katzen bringen Glück. Diese hier bringt gewiss etwas anderes: Szene aus Nicolas Stemanns Münchner "Wut",-Inszenierung mit sieben Schauspielern, darunter Jelena Kuljic.

Foto: Imago/Drama Berlin

Die Uraufführung von Elfriede Jelineks Drama Wut am Samstagabend in den Kammerspielen München beginnt mit einer launigen Ansprache von Regisseur Nicolas Stemann (über die wachsenden Textkonvolute der Autorin: "Es wird immer schlimmer!"). Der 114 Seiten lange Wut-Ausbruch ist eine für Jelinek typische Ineinanderschichtung von (postprotagonistischen) Statements, Meinungen, Beobachtungen, Befürchtungen mit Bezügen zur Mythologie und den dort überlieferten archaischen Tobsuchtsanfällen. Referenzfigur ist vor allem Herakles, der getrieben von seiner Stammesgeschichte im blinden Wahn Frau und Kinder meuchelt.

Die Autorin hat den Text unmittelbar als Reaktion auf die Pariser Terroranschläge im Jänner 2015 verfasst, die unter anderem dem Satiremagazin Charlie Hebdo gegolten haben. Wut ist keine klug sein wollende Analyse, sondern die Versprachlichung eines Zustands der Fassungslosigkeit. Auf eine Weiterentwicklung des Textes – in Hinblick auf die seither noch verübten Anschläge in Paris (Bataclan), Brüssel, Istanbul, Lahore – hat die Autorin verzichtet.

"Böhmermann"-Auftritt

Stemanns Inszenierung holte aber bis zur aktuellen Böhmermann-Debatte aus; der "Böhmermann"-Auftritt war ein erster schräger Höhepunkt in einer typischen Jelinek-Inszenierung Stemanns – es ist mittlerweile die achte -, die im lockeren Spiel zwischen szenischen Dialogen, Ablesen, Livevideos und Musikmachen changiert. "Jan Böhmermann", so geht die Szene, platzt in eine Götter-Elefantenrunde: Buddha, Ganesha, Zeus und ein Spaghettimonster (!) sitzen bei Jesus daheim auf der Couch. Der Gekreuzigte nützt den Querbalken übrigens als Selfie-Stick. Dann meldet sich Mohammed am Handy, er sei verhindert (Bilderverbot), stattdessen kommt "Böhmermann" und bildet im Glitzerröckchen den Höhepunkt dieser "Karikaturen"-Einlage. "Merkel beugt sich Erdowahn" wird dazu eine Titelseite projiziert.

Pegida, Poster, Wutbürger

Diese kostümschwere Szene sowie ein ebenfalls gelungenes satirisches Zwischenspiel mit einer akustischen Jelinek-Karikatur machen erst deutlich, wie sehr es in dieser von vielerlei Subjekten bevölkerten Rede Jelineks nach Bodenhaftung verlangt. Dazwischen driftet der Sprachfluss auch vorbei. Bis zur Pause steigert Stemann vor allem die Laune und etabliert die Wutstimmen: von tötungswilligen Terroristen, zornigen Pegida-Anhängern, Griechenland-Bashern, Wutbürgern im allgemeinen, schäumenden Internetpostern – oder schlicht die Entrüstung einer Frau über ihren untreuen "Hans".

Stemann findet für die vielen Redepositionen satte szenische Lösungen. Es wird bunt. Von vorn an der Rampe bis ganz nach hinten zu einer Art Showtreppe im Bühnenhintergrund erstreckt sich, gesäumt vom Set der Livemusiker (Sebastian Vogel, Thomas Kürstner), die Spielfläche der sieben Schauspieler. Sie verkleiden sich als Clowns, um beim erstbesten Geräusch zusammenzuzucken, als wäre es schon der nächste Anschlag. Es schäumt aus ihrem Mund. Sie legen Burkas an oder Kreuzritterhemden, setzen Adlerköpfe auf (Prometheus-Mythos). Sie drapieren sich als Jihadisten und lassen ihre Botschaft dann von der iPhone-Kamera auf ein riesiges Leinwandtriptychon projizieren. Zur Gedächtnisschonung schlagen sie zwischendurch auch das Textbuch auf und lesen vor. Es regnet Kalaschnikows.

Im zweiten Teil, der neben grell-naiven Positionen auch zu ernsten Tonlagen findet (vaterlose Gesellschaft), nehmen die Gottesbezüge zu. Unsaubererweise verstärkt da die Inszenierung die Verbindung zwischen Terror und Religion (Islam) beziehungsweise unternimmt sie wenige Anstrengungen, diese Verkürzung zu differenzieren. Zwar meldet sich der Prophet nochmals telefonisch und richtet aus, dass er Bluttaten nicht gutheißt, aber da stand die Bibliothek schon in Flammen.

Wo das alles endet? In einer Publikumsteilung, die das Gefühl des Ausgegrenztseins lehrte. Stemann ist ein Menschenfreund und mindestens Agnostiker. Seine heitere, auch flapsige Inszenierung klopft dem Betrachter verständnisvoll auf die Schulter. Das Publikum applaudierte heftig. (Margarete Affenzeller, 17.4.2016)