Das Team X-raid ist den Erfolg gewohnt. Viermal hintereinander gewann es mit dem Mini All4 Racing die Dakar, heuer landete Nasser Al-Attiyah damit auf Platz zwei. Wir fuhren den Dieselboliden mit dem Spruch eines Hubschraubers am Polarkreis.

Rovaniemi – Rauno Aaltonen schaut über den oberen Rand seiner Brille, hinüber zu dem freien Platz am Tisch und sagt: "Gib mir das Messer her, ich zeig dir das." Er, einer der erfolgreichsten Rallye-Piloten der 1960er-Jahre, erklärt mit einem simplen physikalischen Experiment, warum er seinerzeit auf Mini umgestiegen ist.

Foto: X-raid

Die Speisekarte hat er bereits zu einer Fahrtechnikfibel umgestaltet, auf der Rückseite der Hauptspeisen ein Auto skizziert, um so Schwerpunkt und Einlenkverhalten erklären zu können. Jetzt muss die Masse des Messers herhalten, um zu zeigen, dass es der nach hinten versetzte Motor war, der erst für seinen Wechsel zu Mini und später für seine Erfolge verantwortlich zeichnete.

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Als einige Stunden später, für einen letzten Check, die Haube vom aktuellen Dakar-Mini gehoben wird, gilt der erste Blick der Lage des Motors.

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Oh Wunder, da ist kein Motor. Erst ist da der Kühler der Klimaanlage, der über dem Ölkühler sitzt. Darüber, nach hinten versetzt, thront der eigentliche Kühler. Erst dahinter, ganz tief unten, sieht man ein Eckerl vom Motor, wenn man sich auf die Zehenspitzen stellt. Ein Drei-Liter-Diesel. Zwei Turbos. Ein BMW-Motor aus Steyr. Leistung: 320 PS. Drehmoment: 800 Newtonmeter.

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Der Mini All4 Racing, so heißt der Dakar-Rennwagen von X-raid mit echtem Namen, schaut gar nicht nach Diesel aus. Er klingt auch nicht so. Am Stand hört er sich zornig an. Kommt er zurück in die Box, glaubt man, dass gerade ein Hubschrauber landet. Unendlich beeindruckend. Wie auch die Tankkapazität von etwa 385 Litern, für die reglementkonforme Reichweite von 700 Kilometer. Oder die zwei lila Federbeine von Reiger, die jedes Rad beruhigen.

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Das heißt, beim Herumeiern glaubst du, dass überhaupt kein Fahrwerk im Wagen ist. Erst bei dem Tempo, ab dem man sich für gewöhnlich zu verspannen beginnt, weil jedes kleine Schlagloch das Potenzial hat, dir die Achse aus der Aufhängung zu reißen, wird der Mini All4 Racing zur Sänfte. Doch das ist wohl nur einer der Gründe, warum Andreas Schulz zur Eile mahnt, als er mich auf einer kleinen Runde hin zu einem Eistrack begleitet. An sich navigiert er Profis durch die Dakar, arbeitete mit Röhrl und Sainz zusammen. 23-mal fuhr er schon bei der Dakar, zweimal gewann er sogar. 2001 an der Seite von Jutta Kleinschmidt.

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Heute treibt er bei mir, vom Beifahrersitz aus, an. "Gib nur Gas, die Leute hier sind gewohnt, dass Rallyeautos durchfahren", sagt er, auf dem Weg zur Eisbahn. Über den mächtigen Schaltknauf knalle ich die sechs Gänge durchs sequenzielle Getriebe. Rund 180 km/h schafft der Wagen in dem Set-up.

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Dabei ist er kinderleicht zu fahren. Alles ist wahnsinnig direkt, knochentrocken und hart, aber im Grunde könnte den Boliden jeder Führerscheinneuling fahren. Nur, so schnell zu sein wie die X-raid-Rennfahrer Mikko Hirvonen oder Harry Hunt, ist die große Kunst.

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Obwohl: Harry schmeißt bei einer Hot Lap dann seinen Mini All4 Racing so gekonnt in den läppischen Wald, dass erst der Bergebagger antauchen muss, bis der Wagen wieder auf den eigenen Radln, aus denen fette Schwedenspikes ragen, Meter machen kann.

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Dabei haben diese Spikes die Finnen erfunden, erzählt Rauno Aaltonen während einer flotten Runde auf dem Eis, in einem John Cooper Works. Brav wirkt der Works im Vergleich zum Rallye-Mini. Kostet aber auch nur einen Bruchteil. Rund eine Million Euro legt man bei X-raid hin, wenn man einen Mini All4 Racing besitzen möchte. Wem ein paar Tausender fehlen, der kann sich den Rallye-Mini für die Dakar auch bei X-raid mieten. Das kostet dann rund 800.000 Euro. Wenn man den Wagen halt nicht komplett zerstört.

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Das sind Gedanken, die sich Rauno Aaltonen wohl nie gemacht hat. Er hat sich eine frische Speisekarte organisiert und auf der Rückseite der Nachspeisen einen Kamm'schen Kreis gezeichnet. Er wird ihm gleich als Theorieunterlage dafür dienen, dass der Vorderradantrieb dem Hinterradantrieb komplett unterlegen ist. (Guido Gluschitsch, 18.04.2016)

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Hinweis im Sinne der redaktionellen Leitlinien: Die Teilnahme an internationalen Fahrzeug- und Technikpräsentationen erfolgt großteils auf Basis von Einladungen seitens der Automobilimporteure oder Hersteller. Diese stellen auch die hier zur Besprechung kommenden Testfahrzeuge zur Verfügung.

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