Bei TV-Duellen geht es vor allem um deren Deutung, sagt der Politikwissenschafter Klaus Poier.

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Wien/Graz/Klagenfurt – "Die Diskussionen an sich waren gar nicht so sehr von Bedeutung. Viel wichtiger ist jetzt die Interpretation, die anschließende Berichterstattung über die TV-Duelle ", sagt der Politikwissenschafter der Universität Graz, Klaus Poier, im Gespräch mit dem STANDARD. In den nächsten Tagen würden die Beratungsstäbe der Kandidaten ausschwärmen, um ihre Deutung der ORF-Konfrontationen unter die Medien zu bringen. "Jeder will jetzt seine Geschichte der Duelle schreiben", sagt Poier.

Die Gesprächsrunden hätten im Grunde kaum Neues geboten, die Kandidaten seien zwar etwas angriffiger im Ton gewesen, es sei "aber keiner abgestürzt", sagt der Wissenschafter. Die offene Frage der letzten Tage bis zur Wahl sei, ob etwa FPÖ-Kandidat Norbert Hofer in der Lage sein wird, das Potenzial – rund 30 Prozent bei Umfragen für die FPÖ – auszuschöpfen. Ihm stelle sich das Problem der Mobilisierung der FPÖ-Wähler, diese auch zu einer Bundespräsidentenwahl zu bringen.

Der letzte Sozialpartner

Ähnlich geht es dem roten Kandidaten Rudolf Hundstorfer mit seiner SPÖ-Klientel. Hundstorfer habe sich als "letzter in der Tradition verankerter Sozialpartner" präsentiert. "Ob das reicht?", fragt Poier.

Anders als in der Einschätzung Poiers hat sich für den Politikberater Thomas Hofer und die Klagenfurter Politikwissenschafterin Kathrin Stainer-Hämmerle doch einiges in den "Speed-Duellen" gerührt. "Für mich gab's zwei Überraschungen", sagt Hofer. Alexander Van der Bellen habe sich behauptet, und Rudolf Hundstorfer sei weiter zurückgefallen.

Griss gefährdet Van der Bellen

Bei Van der Bellen habe ja die Gefahr bestanden, dass sich die Stimmung in den Reihen seiner potenziellen Wähler Richtung Irmgard Griss neigen könnte. "Van der Bellen hat sich in den Duellen aber konsolidiert, er war sehr gut vorbereitet und für Attacken gut gewappnet. Seine Präsenz hat mich durchaus überrascht." Wie auch die schlechte Performance Rudolf Hundstorfers. Hofer: "Er hat nichts rübergebracht."

Andreas Khol wiederum "bewundere ich eigentlich. Er sieht, dass er die Partie verloren hat, bewahrt aber Haltung. In der ÖVP geht alles Richtung Griss", glaubt Hofer.

Auch Stainer-Hämmerle sieht nach den TV-Duellen eine Erstarkung der unabhängigen Kandidatin. "Ich war durchaus überrascht, wie professional sie agiert hat bei diesen geringen Ressourcen, die ihr zur Verfügung stehen" – im Gegensatz zu den großen Parteiapparaten der etablierten Parteien. "Bei Irmgard Griss hat man den Eindruck, dass sie wirklich will. Sie war die Erste, die aufgezeigt hat. Alle anderen Kandidaten haben für ihre Entscheidung, zu kandieren, ja sehr lange gebraucht." (Walter Müller, 15. 4. 2016)