Wien – Wien bekommt in den kommenden Jahren 100 zusätzliche Schulsozialarbeiter, Schulpsychologen und Therapeuten, die die Lehrer bei ihrer täglichen Arbeit entlasten sollen. Bis zum Sommer soll ein Expertenrat den Bedarf an Unterstützungspersonal erheben, ab Herbst sollen dann die ersten zusätzlichen Mitarbeiter den Dienst antreten, wie die Stadtregierung am Donnerstag bekanntgegeben hat.

Um Schulen mit besonders vielen Kindern aus sozial schwachem Elternhaus besser zu helfen, bräuchte es eigentlich eine Schulfinanzierung nach sozialem Index, waren sich Bildungsstadträtin Sandra Frauenberger (SPÖ) und Grünen-Bildungssprecher David Ellensohn bei einem Pressegespräch einig. Bis zu einer entsprechenden Änderung der Finanzierung im Finanzausgleich helfe man nun an den Pflichtschulen selber aus. Mit dem Schuljahr 2016/17 soll schrittweise Unterstützungspersonal dazukommen. Im Endausbau soll es fünf Millionen Euro pro Jahr kosten, die Maßnahme ist nicht zeitlich begrenzt.

Prävention derzeit nicht möglich

In Wien sind seit 2009 Schulsozialarbeiter im Einsatz, um Lehrer bei Problemen wie Schulverweigerung, Konflikten oder Radikalisierung von Schülern zu unterstützen. Oft hätten Probleme in der Schule soziale Ursachen wie beengte Wohnverhältnisse, Gewalt in der Familie oder einen bildungsfernen Freundeskreis, schildert Sozialarbeiter Oliver Steingötter. Für ihn ist es schon hoch an der Zeit zu handeln, "sonst gibt es eine Polarisierung in der Gesellschaft, die uns vor größere Probleme stellen wird". Mit dem aktuellen Personalstand könne man aber nur akute Probleme lösen, Präventionsarbeit sei nicht möglich. Dringend notwendig wären außerdem Sozialarbeiter und Psychologen, die die Muttersprachen von Schülern mit Migrationshintergrund sprechen.

Die Bildungsstandard-Ergebnisse hätten erneut die starken Auswirkungen des Elternhauses auf den Bildungserfolg gezeigt, so Frauenberger. Wien wolle diese Ungleichheiten ausgleichen. Das passiere unter anderem durch Maßnahmen wie eine Verdoppelung der Sprachförderung an den Kindergärten, der bisher von 14.400 Schülern genutzten Gratis-Nachhilfe für die Neue Mittelschule, eine Verdoppelung der Sommersprachkurse für Migranten und spezielle Fortbildungen und Informationen zu den Themen Migration, Flucht und Radikalisierung für Lehrer an Brennpunktschulen.

Kritik am Finanzminister

In Wien besuchen 57 Prozent der Volksschüler einen Standort mit großen oder sehr großen sozialen Herausforderungen, betonte Stadtschulratspräsident Jürgen Czernohorszky (SPÖ) die besondere Situation Wiens. Es bräuchte deshalb wie alle größeren Städte mit mehr als 100.000 Einwohnern eigentlich mehr Geld aus dem Finanzausgleich, forderte er. In Wien gebe es schon bisher ein gewisses Set zur Unterstützung der Schulen wie 27 Schulsozialarbeiter, außerdem 213 Beratungslehrer und psychagogische Betreuer sowie 600 Begleitlehrer (davon 280 Sprachlehrer) und 25 Schulpsychologen. "Aber ich verhehle nicht, dass wir uns mehr wünschen."

In diesem Zusammenhang kritisierte Czernohorszky Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP): Die Mittel, über die Wien im laufenden Schuljahr sechs interkulturelle Teams zur Konfliktlösung finanzieren wird, seien viel zu spät freigegeben worden. Dazu kommt, dass dieses Geld bisher als Einmalmaßnahme bis zum Jahresende gilt, "aber es glaubt ja wohl niemand, dass die Herausforderung dann endet". Er appelliert daher, schon jetzt mit den Vorarbeiten für 2017 zu beginnen. (APA, 14.4.2016)