Hamburg – Der VW-Vorstand will trotz Forderungen aus dem Aufsichtsrat offenbar nicht komplett auf seinen Bonus verzichten. Inmitten der schwersten Krise des Unternehmens erklärte sich das Top-Management einem Insider zufolge zwar bereit, die erfolgsabhängigen Bezüge um mindestens ein Drittel zu kürzen. "30 Prozent sind es auf jeden Fall", sagte eine mit den Verhandlungen vertraute Person am Mittwoch der Nachrichtenagentur Reuters. Darüber hinaus seien weitere Maßnahmen im Gespräch, um die Bezüge zusätzlich zu verringern.

Volkswagen wies eine Meldung von "Süddeutscher Zeitung", NDR und WDR zurück, wonach die Konzernspitze bereit sei, auf etwa die Hälfte der Bonus-Zahlungen zu verzichten. Der größere Teil der Boni solle endgültig gestrichen werden, der kleinere Rest zurückgelegt werden. Im Verlauf der nächsten Jahre solle aufgrund der Geschäftsentwicklung bei VW entschieden werden, ob dieser Teil nachträglich doch noch an das Management ausbezahlt werde oder nicht, so "SZ", NDR und WDR. "Diesen Bericht dementiere ich", sagte ein Volkswagen-Sprecher.

Damit zeichnet sich kein Komplettverzicht auf die Boni ab, wie ihn das Land Niedersachsen als Großaktionär anstrebt. Insidern zufolge fordert das Land, dass die VW-Vorstände auf alle erfolgsabhängigen Zahlungen verzichten. Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) verlangte im Landtag in Hannover von VW ein "deutliches Signal" bei der Kürzung der Vorstandsbezüge. Das Bundesland ist zweitgrößter Aktionär des Wolfsburger Autobauers und hat bei wichtigen Entscheidungen ein Vetorecht.

Volkswagen selbst teilte mit, Aufsichtrat und Vorstand seien einig, dass angesichts der Lage des Unternehmens ein Zeichen auch bei den Vorstandsvergütungen gesetzt werden müsse. Derzeit würden verschiedene Modelle diskutiert. Über die Höhe der geplanten Kürzungen machte VW keine Angaben.

"Richtung gut, aber Schrittlänge zu kurz"

Aktionärsschützer unterstützen die Forderung nach einem kompletten Boni-Verzicht. "Es ist aus unserer Sicht ganz klar angesagt, dass keinerlei Boni an Vorstand und Führungskräfte ausgeschüttet werden", teilte die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) mit. Volkswagen sei durch "Dieselgate" in eine schwere Unternehmenskrise geschlittert. So lange die Geschehnisse und Verantwortlichkeiten im Zusammenhang mit der Manipulation von Abgaswerten bei Millionen Fahrzeugen nicht vollständig aufgeklärt seien, sollten keinerlei variable Vergütungsbestandteile mehr ausgeschüttet werden. Die Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) erklärte, es sei richtig, dass der Vorstand freiwillig verzichte. "Die Schritte gehen in die richtige Richtung, aber die Schrittlänge ist zu kurz,", sagte DSW-Präsident Ulrich Hocker.

Die Kürzungen sollen rückwirkend auch für Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch gelten, der zuvor Finanzvorstand von VW war. Ministerpräsident Weil, der im Aufsichtsrat des Wolfsburger Konzerns sitzt, sagte: "Diesen Schritt von Herrn Pötsch begrüße ich sehr." Pötsch war nach den Turbulenzen im Herbst an die Spitze des Aufsichtsrats gerückt. Weil er im Kontrollrat weniger verdient als im Vorstand, wurde ihm der Wechsel durch eine millionenschwere Wechselprämie versüßt, die in der Öffentlichkeit für Kritik gesorgt hat. Investoren werfen Pötsch zudem einen Interessenkonflikt vor, weil er von den Manipulationen gewusst haben könnte und als Aufsichtsratschef nun die Aufklärung vorantreiben soll.

Ex-Finanzchef Pösch übt Verzicht

Volkswagen hatte im September zugegeben, millionenfach Diesel-Emissionswerte durch eine Software manipuliert zu haben. Der Konzern muss mit Strafen und Schadensersatzforderungen in Milliardenhöhe rechnen. Eine erste Bilanz der internen Ermittlungen über die Hintergründe und Verantwortlichen des Abgasbetrugs will Volkswagen am 22. April ziehen, wie Weil ankündigte. Experten der US-Kanzlei Jones Day werten seit Monaten große Datenmengen aus und befragen Mitarbeiter. Daneben ermittelt die Staatsanwaltschaft Braunschweig.

In den USA, wo der Skandal im vergangenen Jahr aufgeflogen war, laufen zugleich Verhandlungen mit den Behörden über eine Reparatur oder den Rückkauf der manipulierten Dieselautos weiter. Ein Bezirksrichter in San Francisco hat Volkswagen und der US-Umweltbehörde EPA eine Frist bis nächsten Donnerstag für einen außergerichtlichen Kompromiss gesetzt. Wenn der nicht gelingt, droht im Sommer ein Prozess. (Reuters, 13.4.2016)