PB 3877 und seine Position im Randbereich der Milchstraße in Relation zu unserem Sonnensystem.

Grafik: Thorsten Brand

Erlangen – Wenn es stimmt, was ein Team deutscher und US-amerikanischer Astronomen vermutet, dann hätte er wahrlich einen weiten Weg hinter sich: Der Stern PB 3877, der sich am Rand der Milchstraße befindet, könnte nämlich aus einer anderen Galaxie stammen, berichtet die Universität Erlangen-Nürnberg.

Ein kosmischer Raser ...

PB 3877 bewegt sich mit etwa zwei Millionen Kilometern pro Stunde durch die Außenbezirke unserer Galaxis – schnell genug, um womöglich die Anziehungskraft der Milchstraße zu überwinden und diese zu verlassen, meinen die Erlanger Forscher, die den Stern zusammen mit Kollegen vom California Institute of Technology entdeckt und über Jahre hinweg beobachtet haben.

Es handelt sich um einen sogenannten Hyperschnellläufer, von denen die Wissenschaft heute rund zwei Dutzend kennt. Allerdings waren die bisher bekannten Exemplare Einzelgänger, während es sich bei PB 3877 um einen Doppelstern handelt. Und das verblüfft die Forscher: "Wir können uns keinen Mechanismus vorstellen, der es ermöglicht, ein Doppelsternsystem auf eine so hohe Geschwindigkeit zu beschleunigen, ohne es dabei zu zerstören", sagt der Erlanger Astronom Peter Nemeth.

... mit Besonderheiten

Bisher ist die Wissenschaft davon ausgegangen, dass das supermassereiche Schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße der "Motor" ist, der Einzelsterne auf extreme Geschwindigkeiten beschleunigen kann. Nähert sich jedoch ein Doppelstern dem Schwarzen Loch, reißen die dort wirkenden Kräfte das Paar auseinander. Ein Stern wird ins Zentrum des Schwarzen Loches gesogen, während sein Begleiter in die Weiten des Universums geschleudert wird. So jedenfalls lautet die gängige Annahme.

Außerdem ist die Flugbahn des Doppelsterns besonders: "Sehr wahrscheinlich ist PB 3877 in der Vergangenheit nie auch nur in die Nähe des galaktischen Zentrums gekommen", sagt die an der Studie beteiligte Eva Ziegerer. Andere Ursachen für die Beschleunigung des Doppelsterns – etwa die Kollision von Sternen oder die Explosion einer Supernova – schließen die Wissenschafter ebenfalls aus. Auch solche Faktoren würden ein Sternenpaar auseinanderreißen.

Zuzügler

Deshalb vermuten die Forscher um Nemeth, dass PB 3877 ein Zuzügler aus einer anderen, viel kleineren Galaxie sein könnte. "In den Randgebieten der Galaxis befinden sich viele Sternströme, die vermutlich Überreste von Zwerggalaxien sind", sagt Nemeth. Von dort könnte der Doppelstern, allmählich beschleunigt, seinen Weg in unsere Galaxis gefunden haben.

Die Datenlage erlaubt es nicht, PB 3877 einem dieser Sternströme eindeutig zuzuordnen. Daher bleibt der Ursprung des Doppelsterns weiter unklar – wie auch dessen Zukunft: Ob der Doppelstern die Milchstraße verlässt, hängt von der Masse der Dunklen Materie in unserer Galaxis ab. "So geben uns die hyperschnellen Sterne die Möglichkeit, der Dunklen Materie im Universum auf die Spur zu kommen", hofft Nemeth. (red, 15. 4. 2016)