Christian Benesch fotografierte Feinkosthändler und Unternehmer Johannes Lingenhel in seiner neuen Schaukäserei in Wien-Landstraße.

Foto: Christian Benesch

Sichtlich erleichtert und voller Vorfreude wischt Johannes Lingenhel ein letztes Mal mit einem feuchten Tuch den Staub, der durch die gerade abgeschlossenen Schneide-, Bohr- und Schleifarbeiten entstanden ist, von der Massivholz-Budel. Dass er das Staubtuch nun in der Ecke liegen lässt, ist eher unwahrscheinlich, ist er doch ein Perfektionist.

Der Feinkosthändler, der mit Christian Pöhl gemeinsam das Pöhl am Naschmarkt in Wien betrieben hat, eröffnet Ende des Monats ein Megaprojekt auf der Landstraßer Hauptstraße. Neben einem – wie nicht anders zu erwarten – gut sortierten Feinkostladen fügen sich auch eine Bar und ein Restaurant in die riesige Geschäftsfläche ein.

Das wirkliche Herzstück ist aber, zweifelsohne, die hauseigene Käserei. Damit dürfte Lingenhel sein Alleinstellungsmerkmal gefunden haben, sind doch Kombinationen mit Greißlerei und Restaurant keine Neuigkeit mehr, wie Alloro, Marktwirtschaft oder das kürzlich eröffnete Wirtshaus mit Greißlerei von Sternekoch Juan Amador zeigen.

Viele Jahre war Johannes Lingenhel Geschäftsführer im Pöhl am Naschmarkt in Wien. Jetzt hat er seine eigene Käserei.
Foto: Christian Benesch

Die Idee, mitten in der Großstadt Käse zu machen, sei dem Gourmet-Experten im Flugzeug gekommen. Auf Langstreckenflügen hat man eben viel Zeit zum Nachdenken. "Auf dem Rückflug von meinem Urlaub habe ich selbst hinterfragt, warum jemand extra in mein Geschäft kommen soll, wenn es doch genug andere Feinkostläden in der Stadt gibt? Kurz vor der Landung ist mir die Idee mit der Käserei gekommen. Also habe ich Robert Paget angerufen und ihn gefragt, ob er mit mir Käse machen will. Er hat zugesagt und wir haben mit der Planung begonnen", erzählt Lingenhel.

Robert Paget züchtet selbst Wasserbüffel und erzeugt in seiner Hofkäserei in der Nähe von Krems die delikatesten Käsesorten. Der Käseprofi soll zweimal pro Woche nach Wien kommen, um mit Lingenhel gemeinsam in der Stadtkäserei zu mozzen. So nennen die beiden den Vorgang, wenn sie aus Büffelmilch frischen Mozzarella herstellen. Draußen, auf der anderen Seite des streng getrennten Hygienebereichs, können Gäste durch eine riesige Glasscheibe verfolgen, wie der Mozzarella, die Burrata und andere Käsesorten entstehen.

Sterile Gemütlichkeit

Während die beiden Männer mit ihren Gummistiefeln und weißen Schürzen in dem steril wirkenden Raum mit den zwei riesigen Käsekesseln hantieren, werden die Gäste draußen in dem heimelig und gemütlich anmutenden Zimmer mit historischer Holzdecke am großen Vollholztisch ihr Essen genießen können.

Neben der klassischen Pasta Filata sollen auch Weißkulturen wie Camembert oder Brie hergestellt werden. Dafür kommen die Rohlinge in einen rund 15 Grad kalten Raum, um Schimmel anzusetzen. In einem weiteren Kühlraum bleiben sie dann so lange, bis sie den unverwechselbaren Geschmack entwickeln und schließlich als cremige Köstlichkeit am Teller ihre Vollendung finden.

Lingenhels frischer Ricotta aus Ziegenmilch wird ein fester Bestandteil der Speisekarte sein.
Foto: Lingenhel

Für so viel Käse braucht man natürlich auch Milch – viel Milch. Um die 400 Liter Büffelmilch werden jede Woche aus Bergamo in Italien angeliefert. Lingenhel kennt den Besitzer der Büffelfarm Quattro Portoni sehr gut und weiß, dass die Tiere artgerecht gehalten werden. Freilich ökologisch ist das nicht, und die Milch, die mehrere hundert Kilometer transportiert wird, hat auch ihren Preis.

Aber Geld, über das der Unternehmer generell nicht gerne spricht, dürfte hier ohnehin nur eine kleine Rolle spielen. Dass das Projekt mehrere Millionen Euro gekostet hat, streitet er nicht ab. "Ich bin sowohl bei unseren Lebensmitteln wie auch bei den Materialien, die ich für die Inneneinrichtung verwendet habe, ein richtiger Junkie", sagt der Unternehmer.

Die besten Produkte

Jemanden wie Lingenhel kann man durchaus als Foodie bezeichnen, beschäftigt er sich doch seit Jahren mit feinen Lebensmitteln. Als er 1995 bei Party Pöhl begann, entdeckte er schnell seine Leidenschaft für außergewöhnliche Produkte. Fünf Jahre später folgte die Selbständigkeit. Gemeinsam mit Christian Pöhl führte er einen der bekanntesten Feinkostläden und die erste Adresse für Feinschmecker in Wien, das Pöhl am Naschmarkt.

Damals hatten die beiden eine klare Vision: die besten Produkte aus Österreich, Frankreich, Spanien, Italien und der Schweiz in ihr Geschäft auf den Wiener Naschmarkt zu holen und an den Mann zu bringen. Neben ausgewählten Prosciutti hat der Feinkosthändler die herrlichsten Käsesorten wie den französischen Comte oder Epoisses de Bourgogne und Raritäten aus Österreich. Die Milch für seinen eigenen Käse kommt zumindest teilweise aus Österreich.

Das Angebot an Wasserbüffeln ist hierzulande nämlich überschaubar und Büffelzüchter Paget braucht nahezu die gesamte Milch seiner kleinen Herde für sich selbst. Mozzarella aus Kuhmilch herzustellen, wie es etwa die Wiener Pizzeria mit Schaukäserei I Leoni, die ab Mai ihre Pforten in der Otto-Bauer-Gasse neu öffnet, macht, ist für den Feinkosthändler im Moment aber kein Thema.

Weil er trotzdem regionale Milch verwenden und mit Geschmäckern experimentieren will, wird Lingenhel viele seiner Käse mit Ziegenmilch mischen. "Für den Frischkäse verwenden wir beispielsweise nur Milch von Ziegen, weil die Büffelmilch zu fett dafür wäre", sagt der Neo-Käsemacher.

Ricotta im Soufflé.
Foto: Lingenhel

Bis er nach Monaten der harten Arbeit und mit ordentlicher Verzögerung (eigentlich wollte er schon im Herbst 2015 eröffnen) nun demnächst Feinkostgeschäft, Schaukäserei, Bar und Restaurant aufsperrt, ist in dem rund 250 Jahre alten und denkmalgeschützten Haus kaum ein Stein auf dem anderen geblieben. Das Gebäude, in dem einst unter anderem die Schriftstellerin Marie von Ebner-Eschenbach wohnte, stand lange Zeit leer und beherbergte zuletzt eine Videothek.

Die Innenarchitektin Anke Stern und das Team von Destillat haben es geschafft, alte Elemente mit neuen zu verbinden. Neben einer uralten Holzdecke wurden auch die Pferde-Futterspender der einstig beheimateten Stallungen im hinteren Teil des Restaurants wieder revitalisiert. Allerdings lagern in Zukunft nicht mehr Heu und Wasser, sondern Eiswürfel und Champagnerflaschen darin. Dies ist ebenso ein Blickfang, wie das verglaste Kühlhaus im Eingangsbereich auf der Landstraßer Hauptstraße, in dem demnächst Prosciutti und Schweinehälften hängen sollen.

Verantwortlich für die Verarbeitung der Produkte ist Daniel Hoffmeister, der unter anderem schon in den Restaurants Obauer (Werfen), Motto am Fluss (Wien) und Ikarus im Hangar-7 (Salzburg) gewerkt hat. Kochen wird er vor allem mit Produkten aus dem eigenen Feinkostgeschäft, das von Stefan Götz geleitet wird, und – irgendwie naheliegend – mit Käse.

Alte Bekannte

Maximilian Molnar, der zuvor unter anderem im Hotel Das Triest und im Motto am Fluss werkte, wird als Lingenhels Restaurantleiter die Verantwortung für den hinteren Bereich der Geschäftsfläche übernehmen, zu dem auch die Bar gehört. Hier soll gelegentlich Cocktail-Freak Reinhard Pohorec ein Gastspiel geben. Der Experte war gerade an der Umsetzung des neuen Barkonzepts im Wiener Hotel Park Hyatt beteiligt.

Geht es nach dem Hausherrn, werden immer wieder bekannte Barkeeper und Spitzenköche Gastspiele geben. An zu wenig Kontakten in die Gourmetszene dürfte es Lingenhel nicht mangeln. Doch jetzt muss er erst einmal sein Geschäft aufsperren. Die offizielle Eröffnung ist für Ende April geplant. (Alex Stranig, RONDO, 15.4.2016)