Das Herrenporträt von Bartholomeus van der Helst dürfte zu elf Gemälden aus der Sammlung Adolphe Schloss gehören, die im Besitz einer 1999 verstorbenen Münchner Antiquitätenhändlerin waren.

Foto: im kinsky

Deren Erben verkauften einige Werke, darunter STANDARD-Recherchen zufolge vier Gemälde, die seit 2012 bei Interpol gemeldet sind: diese 1638 datierte Interieurszene von Christoph Jacobsz van der Lamen …

Foto: Zentralinstitut für Kunstgeschichte München

… weiters "Der Dorfchirurg" von Abraham van den Hecken …

Foto: Zentralinstitut für Kunstgeschichte München

… "Der indiskrete Besucher", 1756 von Elisabeth Wassenbergh gemalt…

Foto: Zentralinstitut für Kunstgeschichte München

… sowie "Der Kavalier im Tuchladen" von Frans van Mieris dem Älteren, nicht zu verwechseln mit der etwas kleineren Fassung, die 1660 von Erzherzog Leopold Wilhelm erworben wurde und sich im Bestand des Kunsthistorischen Museums (Wien) befindet.

Foto: Zentralinstitut für Kunstgeschichte München

Ein als Raubkunst enttarntes Kunstwerk zu versteigern, ohne sich zuvor mit den Nachfahren der ursprünglichen Sammler geeinigt zu haben, entspricht nicht den Usancen auf dem internationalen Kunstmarkt. Gesetzlich ist es unterschiedlich geregelt: In den USA, in Großbritannien oder Frankreich könnte an geraubtem oder gestohlenem Gut über den Kunsthandel kein Eigentum verschafft werden, in Österreich, Deutschland und vielen anderen Ländern sehr wohl.

In Unkenntnis einer einstigen Entziehung haben demnach viele Private gutgläubig Eigentum an Raubkunst erworben, manche über einen erst wenige Jahre zurückliegenden Ankauf. Sich als rechtmäßiger Eigentümer auf diese legale Position zu berufen, halten manche Erben jüdischer Sammler und deren Rechtsvertreter für moralisch verwerflich, jene nach Adolphe Schloss aktuell jedenfalls.

Anfang 2015 war dem Auktionshaus "im Kinsky", wie berichtet, von einem österreichischen Privatbesitzer ein Herrenporträt zur Versteigerung übergeben worden. Dass es sich um ein Gemälde von Bartholomeus van der Helst handelte, war in Ermangelung einer Signatur nicht erkennbar. Sie muss, da sie in der Fachliteratur erwähnt wird, wohl irgendwann entfernt worden sein. Recherchen der Altmeister-Expertin förderten nicht nur den Künstler, sondern auch die problematische Herkunft zutage.

Leichte Beute

Das Bild war zusammen mit 332 anderen der Sammlung des aus dem deutschen Fürth gebürtigen Franzosen Adolphe Schloss 1943 in Frankreich von der Gestapo beschlagnahmt worden. 49 Werke sicherte sich der Louvre, 262 wurden über den "Sonderauftrag Linz" angekauft und nach München transportiert. Wiewohl für das Führermuseum vorgesehen, wurden sie nie in den Bestand integriert, denn der Überlieferung nach sei Hitler erbost gewesen, dass nicht er, sondern der Louvre den Erstzugriff erhalten hatte.

Im Pariser Palais von Adolphe Schloss hingen die Alten Meister dicht an dicht. Darunter van der Helsts Herrenporträt (Mitte, 2. Reihe von unten), das 1945 aus dem Führerbau (München) gestohlen wurde.
Foto: Musee d’Art et d’historie du judaisme

Bis zur Plünderung am 29. April 1945 lagerten die Bilder im Luftschutzkeller des Führerbaus. Die in der Schloss-Sammlung dominierenden Klein- und Mittelformate waren übrigens besonders leicht transportierbare Beute. Nicht einmal die Hälfte konnte nach dem Krieg aufgespürt und an die Erben restituiert werden. Derzeit gelten noch 164 Gemälde als verschollen, beziffert Stefan Klingen vom Zentralinstitut für Kunstgeschichte in München, wo die Führerbau-Plünderung seit 2014 detailliert erforscht wird. Seit 2012 sind diese in der nicht öffentlich einsehbaren Interpol-Datenbank gelistet.

Zu diesen Werken gehören auch eine Interieurszene von Christoph Jacobsz van der Lamen, "Der Dorfchirurg" von Abraham van den Hecken oder "Der indiskrete Besucher" von Elisabeth Wassenbergh. Weiters "Der Kavalier im Tuchladen" von Frans van Mieris dem Älteren, nicht zu verwechseln mit der kleineren Fassung des Sujets, das 1660 von Erzherzog Leopold Wilhelm erworben wurde und sich im Bestand des Kunsthistorischen Museums befindet.

Spur nach München

STANDARD-Recherchen zufolge befand sich dieses Quartett zusammen mit sieben anderen Gemälden aus der Sammlung Schloss im Besitz einer Münchner Antiquitätenhändlerin, die 1999 verstarb. Deren Erben verkauften nachweislich einige der elf Bilder. Eines davon dürfte das Herrenporträt van der Helsts gewesen sein, das 2004 über den deutschen Kunsthandel in den österreichischen gelangte, wo es der jetzige Eigentümer erwarb.

Laut Kinsky habe dieser keinerlei Kenntnis von der problematischen Vorgeschichte gehabt, sich jedoch bereiterklärt, den Verkaufserlös mit den Schloss-Erben zu teilen. Die seit Mai 2015 laufenden Verhandlungen mit einem Erbenanwalt scheiterten, da dieser auf Rückgabe pochte. Über die Versteigerung (12.4.) sollte eine Lösung herbeigeführt werden, die auch nach einem unter Vorbehalt erteilten Zuschlag erfolgen hätte können.

Diese Vorgehensweise sei inakzeptabel, erklärt der Schloss-Anwalt auf Anfrage, das Werk sei vor mehr als 50 Jahren in Frankreich und später auch bei Artloss als Raubgut registriert worden. Es wäre in der Verantwortung des jetzigen Besitzers gewesen, derlei zu überprüfen. Es nicht zu tun, lässt er durchblicken, sei fahrlässig.

Nun wird das Gemälde von van der Helst nicht versteigert. Ende vergangener Woche intervenierte das französische Kulturministerium schriftlich, auf Basis einer Anzeige aus Frankreich verfügte die Staatsanwaltschaft Wien am Montag eine vorläufige Sicherstellung des Bildes und bestellte das Auktionshaus zum Verwahrer. (Olga Kronsteiner, 11.4.2016)