Bernhard Görg erklärt Erwin Prölls Erfolgsrezept mit Charles de Gaulle. Wobei, Erfolg verspricht es in dem Fall nur für Niederösterreich.

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"Es wird offenkundig, dass es in der ÖVP eine Machtstruktur gibt, in der Niederösterreich und Erwin Pröll eine besondere Machtrolle spielen", sagt Heinrich Neisser im STANDARD-Gespräch.

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Präsidentschaftskandidat Andreas Khol sieht keinen Alleingang von Erwin Pröll.

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Wien – Bernhard Görg kennt die Rankünen in der ÖVP aus eigener Anschauung und Erfahrung. Um die von Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll orchestrierte Rochade – Innenministerin Johanna Mikl-Leitner nach St. Pölten, im Gegenzug Finanzlandesrat Wolfgang Sobotka nach Wien ins ÖVP-Ministerteam – zu erklären, zitiert der ehemalige Chef der VP Wien Charles de Gaulle: "Größe ist nicht möglich ohne Selbstsucht und Rücksichtslosigkeit. Erwin bemüht sich, diesem Zitat bestmöglich gerecht zu werden."

Hartes Erfolgsrezept

Erwin Pröll ist demnach sehr groß und setzt auch entsprechend große Schritte, oder, wie Görg es im STANDARD-Gespräch formuliert: "Erwin war immer ein Egomane der Sonderklasse – das ist einer der Gründe, warum er so erfolgreich ist." Aus dieser Logik sei es "nicht überraschend, sondern logisch", dass Pröll den Personaltausch jetzt – ohne Rücksicht auf irgendwelche Parteibefindlichkeiten oder die Hofburgwahl und über den Kopf des eigentlichen ÖVP-Chefs Reinhold Mitterlehner hinweg – durchzog.

Sollte die Bundespräsidentenwahl für die ÖVP nicht so ausgehen, wie erhofft, "kann die Gemengelage unsicher werden", erklärt Görg. Außerdem stärke es einen Parteiobmann nicht unbedingt, wenn er wie Pröll ankündigt, er werde bald gehen: "Jetzt aber kann niemand einen Wirbel machen, wenn er die Rochade macht."

Bundes-ÖVP andere Baustelle

Aber was ist mit der schwarzen Gesinnungsgemeinschaft, der ÖVP? "Das ist wahrscheinlich sein geringstes Problem", meint Görg. Genauso wie etwaige Schrammen, die Parteichef Reinhold Mitterlehner durch solche Aktionen erleidet: "In der ÖVP ist man stark, wenn man die Landesparteien hinter sich und ein hohes persönliches Illoyalitätspotenzial hat", sagt Görg. Klingt hart, aber: "Für Niederösterreich war Pröll damit erfolgreich, er hat dem Land sehr genützt." Dem Bundesland, das andere Land, Österreich, ist eine andere Baustelle.

Scharfe Kritik an den Vorgängen rund um den Wechsel von Innenministerin Mikl-Leitner als Prölls "Kronprinzessin" nach Niederösterreich übt der ehemalige ÖVP-Klubobmann Heinrich Neisser.

Neisser kritisiert "Länderegoismus"

Im STANDARD-Gespräch sagt Neisser: "Es wird offenkundig, was ohnehin unbestreitbar ist, dass es in der ÖVP eine Machtstruktur gibt, in der Niederösterreich und Erwin Pröll eine besondere Machtrolle spielen. Es ist Ausdruck eines immer stärker werdenden Länderegoismus, der Personalpolitik auf Kosten der Bundesebene durchzieht."

Philippi ist nah

ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner bekommt quasi im Gegenzug für Mikl-Leitners Abberufung nach St. Pölten von dort einen Innenminister geliefert, nämlich Finanzlandesrat Wolfgang Sobotka – den wiederum mit Finanzminister Hans Jörg Schelling eine spezielle "Freundschaft" verbindet. Sobotka hatte Schelling im März vor einem Jahr unverhohlen gedroht: "Bei Philippi sehen wir uns wieder."

Grund für Sobotkas an ein Shakespeare-Zitat angelehnten Racheschwur war Schellings Entscheidung, die Bundesländer für die Schulden der Kärntner Hypo zahlen zu lassen. Mit anderen Worten besagt der Satz: Ich werde mich bei nächster Gelegenheit rächen. Sinnigerweise hatte Sobotka noch hinzugefügt: "Schelling ist bereits mein siebenter Finanzminister." Nun wird er mit ihm an einem Tisch in der Partei und im Ministerrat sitzen.

"So noch nicht da gewesen"

Was bedeutet das alles für die ÖVP und ihren eigentlichen Parteichef Reinhold Mitterlehner? "Im Sinne der Führung der Gesamtpartei halte ich diese Vorgänge für höchst problematisch", sagt Neisser, der auch Minister für Föderalismus und Verwaltungsreform war. Die ÖVP habe zwar immer schon "in ihrer inneren Struktur mit dem Föderalismus Probleme gehabt, aber dass Personalentscheidungen für ein Bundesland ein dominanter Faktor sind, ist so doch noch nicht da gewesen. Eine Entscheidung, die mit dem Land nichts zu tun hat, auf die Bundesebene auszugliedern ist problematisch."

Mitterlehner muss aufpassen

Und was rät Neisser nun ÖVP-Chef Mitterlehner? Für ihn heißt es: aufpassen! Der ehemalige Zweite Nationalratspräsident formuliert es diplomatisch: "Mitterlehner wird diese Sache in Zukunft mit großer Sensibilität verfolgen müssen."

Und der Bundespräsidentschaftswahlkampf von ÖVP-Kandidat Andreas Khol? Wird der durch die Pröll-Aktion beeinträchtigt? Na ja, deutet Neissers Reaktion an: "Da macht sich bei beiden Regierungskandidaten immer mehr Formaloptimismus breit." Er selbst verfolgt den medialen Wahlkampf mit diversen Fernsehformaten gar nicht mehr, sagt Neisser: "Ich kann dieses Spektakel nicht mehr aushalten."

Khol wurde "rechtzeitig" informiert

Der Bundespräsidentschaftskandidat selbst will "rechtzeitig" von der Regierungsumbildung erfahren haben; wann genau das war, möchte er aber nicht sagen.

"Ich bedauere sehr, dass das Team Johanna Mikl-Leitner, Sebastian Kurz und Hans Peter Doskozil auseinandergeht", erklärt Khol im STANDARD-Gespräch, die Noch-Innenministerin habe ihm aber "triftige Gründe" für ihren Wechsel nach Niederösterreich genannt, die Khol nachvollziehen kann.

Ihr Wechsel habe sich für ihn bereits länger abgezeichnet, es sei kein Alleingang von Erwin Pröll gewesen, betont Khol. Dem Zeitpunkt der Ministerrochade steht der schwarze Bundespräsidentschaftskandidat "neutral" gegenüber. (Marie-Theres Egyed, Lisa Nimmervoll, 11.4.2016)