Aussichtsreiche Kandidatinnen (von links): Irina Bokowa, Helen Clark, Natalia Gherman und Vesna Pusić.

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Schafft es diesmal eine Frau an die Spitze der Uno? Einiges deutet darauf hin. "Nie zuvor war die Möglichkeit so groß, dass eine Frau zum nächsten Generalsekretär gewählt wird", erklärt die US-Frauenrechtlerin Charlotte Bunch. Seit Gründung der Uno nach dem Zweiten Weltkrieg bekleideten nur Männer die Position, die der erste Generalsekretär Trygve Lie den "unmöglichsten Job der Welt" nannte. Mit der Wahl einer Nachfolgerin für Ban Ki-moon könnte eine neue Ära beginnen: Eine Frau wäre oberste Repräsentantin der Weltorganisation.

Ban räumt Ende 2016 den Chefsessel. Ab morgen, Dienstag, beginnen in der Uno-Vollversammlung in New York Anhörungen der offiziellen Kandidatinnen und Kandidaten. Vier der bisher acht offiziellen Bewerber sind Frauen: Unesco-Chefin Irina Bokowa aus Bulgarien, Natalia Gherman, früher Außenministerin von Moldau, die Kroatin Vesna Pusić, ebenfalls einst Außenministerin, und die frühere neuseeländische Regierungschefin Helen Clark.

Zudem machen sich vier Männer Hoffnungen: der frühere portugiesische Premier António Guterres, Sloweniens Expräsident Danilo Türk, Mazedoniens Ex-Außenminister Srgjan Kerim und Igor Luksic, Außenminister von Montenegro.

"Frauen wie auch Männer"

Der Präsident der Uno-Vollversammlung, Mogens Lykketoft, hatte die Mitgliedsstaaten aufgerufen, "Frauen wie auch Männer" zu nominieren. In den Regierungssitzen der 193 Mitgliedsländer reift die Einsicht, dass die Hälfte der Weltbevölkerung nicht ignoriert werden kann – etwa in den USA. Dort fordern eine Reihe von Senatoren Präsident Barack Obama auf, eine Bewerberin zu fördern.

Die Kandidatinnen wollen aber nicht gewählt werden, nur weil sie Frauen sind. "Ich möchte, dass Frauen eine faire Chance haben, jede Führungsposition zu erklimmen", sagt Clark, derzeit Chefin des UN-Entwicklungsprogramms.

Sie weiß, dass sie nur dann zum Zug kommt, wenn es nicht gelingt, sich auf Kandidatinnen oder Kandidaten aus Osteuropa zu einigen: Noch nie stellte ein Land aus dieser Region den UN-Chef. Alle anderen Regionen konnten mindestens einmal ihre Bewerber durchsetzen. Westeuropäer kamen sogar dreimal zum Zug. "Nächster Generalsekretär sollte ein Repräsentant Osteuropas sein", fordert der russische Vizeaußenminister Gennadi Gatilow. Das Wort der Vetomacht Russland hat Gewicht. Clark könnte allenfalls helfen, dass viele der bisherigen Kandidatinnen entweder für Moskau oder für Washington nicht infrage kommen, weil sie dem Kreml oder dem Weißen Haus zu nahe stehen.

Intransparenter Prozess

Die Entscheidung fällt wohl einmal mehr nicht im Lichte der Öffentlichkeit. Zwar führt die Uno bei der Wahl des nächsten Generalsekretärs zum ersten Mal Anhörungen in der Vollversammlung und im Sicherheitsrat ein. Doch am eigentlichen, wenig offenen Wahlmechanismus hat sich nichts geändert. Der Sicherheitsrat hat das letzte Wort und gegen den Willen der Vetomächte Russland, USA, China, Frankreich und Großbritannien wird es gewiss auch diesmal nicht gehen. Besonders Washington und Moskau pochen auf dieses Privileg. Die Generalversammlung muss die Wahl später aber formell bestätigen. (Jan Dirk Herbermann aus Genf, 11.4.2016)