Österreichische Hochschulabsolventen zieht es zum Arbeiten in die Ferne. Das belegen zahlreiche Studien, zuletzt etwa eine der Statistik Austria aus dem Jahr 2014. Demnach verlassen vor allem junge Erwachsene zwischen 25 und 35 Jahren das Land – und zwar am häufigsten Hochschulabgänger, nämlich im Schnitt 5,3 von 100. Ihre Ziele: Deutschland, die Schweiz, die Türkei, Nordamerika und Großbritannien.

Auch ausländische Studierende, aktuell etwa 24 Prozent an Österreichs Unis, können nur schwer gehalten werden: Weniger als 20 Prozent beantragen eine Aufenthaltserlaubnis nach dem Ende des Studiums. Seit Jahren bereits übertrifft die Zahl der Abwanderer jene der Rückkehrer um 5000 bis 10.000 Menschen pro Jahr. Hat Österreich ein "Brain Drain" -Problem?

Nicht halten um jeden Preis

"Man muss sich von der Idee verabschieden, dass Qualifikationen für ein Land auf ewig verloren gehen, dass es Gewinner und Verlierer dieser Entwicklung gibt. So einfach lässt sich die Komplexität der Wanderungsbewegungen auf Dauer nicht beschreiben", sagt Markus Pausch, Zukunftsforscher an der Fachhochschule Salzburg. Er hat für ein EU-gefördertes Projekt Wanderungsbewegungen in Europa untersucht.

Einerseits, sagt Pausch, würden Migranten und Migrantinnen nicht unbedingt für immer in ihrem Zielland bleiben – andererseits seien die Wanderbewegungen nicht einseitig: Österreich beispielsweise würde nicht nur Hochqualifizierte an andere Länder verlieren, sondern auch welche dazugewinnen, auch durch aktuelle Flüchtlingsströme. Der Wissenschafter plädiert daher für den Begriff "Brain Circulation". Es gelte nicht "zu jammern", dass junge Österreicher und Österreicherinnen ins Ausland gehen. "Die Politik sollte sich nicht darauf versteifen, sie um jeden Preis in Österreich zu halten", sagt Pausch. Stattdessen sollte sie Mobilität fördern.

Gegen den "Brain Waste"

Zudem müssten für Hochqualifizierte, die kommen, bessere Bedingungen geschaffen werden, so der Wissenschafter. "Viele arbeiten unter ihrer Qualifikation." Das sei ein "Brain Waste", eine Vergeudung von Wissen und Fähigkeiten. Wolle man bewerkstelligen, dass von jenen ausländischen Studierenden, die in Österreich einen Hochschulabschluss machen, mehr im Land bleiben, sollte man zunächst endlich die Rot-Weiß-Rot-Karte überarbeiten, sagt Pausch. Aktuell haben Studierende aus Drittstaaten sechs Monate Zeit, um einen Job zu finden. "Das könnte man verlängern." Auch die Behördenwege gelte es zu verkürzen. "Letztlich wäre auch zu überdenken, ab welchem Zeitpunkt man Zuwanderern die Staatsbürgerschaft gibt."

Migrantinnen und Migranten müssten zudem stärker wertgeschätzt, ihnen müssten bessere Chancen am Arbeitsmarkt geboten werden. Pausch: "Sie sprechen meist zwei Sprachen, hätten also großes Potenzial für die österreichische Wirtschaft."

Finanzierungsmodelle anpassen

Damit Österreich im permanenten Austausch Hochqualifizierter gut aussteigt, bräuchte es schließlich auch Maßnahmen auf europäischer Ebene, sagt Pausch. Er schlägt vor, neben dem Hochschulsystem – wie es im Zuge des Bologna-Prozesses versucht wurde – auch die Finanzierungsmodelle von Hochschulen anzupassen. "Dadurch stellt man sicher, dass nicht in einem Land ausgebildet wird, die Leute dann weggehen und das Land auf den Ausbildungskosten sitzenbleibt", sagt der Wissenschafter.

Vor dem Hintergrund, dass Österreich viele deutsche Studierende ausbildet, fordert er auch eine Harmonisierung der Zugangsbedingungen zu Hochschulen. (Lisa Breit, 13.4.2016)