Der Wiener Fotograf Michael Nagl mag einfaches, archaisches Wohnen. Seine Möblierung besteht aus Altwaren, Fundstücken und Schnäppchen. Und dann war da noch die Sache mit dem Meuchelkrimithriller.

"Normalerweise stehe ich hinter der Kamera. Vor der Kamera zu sein ist, ehrlich gesagt, grauenvoll. Lieber wäre ich beim Zahnarzt oder im SM-Keller, was ja mit meiner Katze Itchy schon recht deckungsgleich ist. Sobald ich das Tier einmal kurz außer Acht lasse, fühlt es sich vernachlässigt und fügt mir blutige Wunden zu. Eigentlich ist sie wie Itchy und Scratchy in einem.

"Wie man merkt, haben wir uns mit dem Abfackeln des letzten Weihnachtsbaums ein bissl Zeit gelassen." Michael Nagl und Kater Itchy beim Kampf im Wohnzimmer.
Foto: Lisi Specht

Gemeinsam mit meiner Familie wohne ich hier jetzt seit zwölf oder 13 Jahren. Die Wohnung liegt mitten im zweiten Bezirk und hat an die 85 Quadratmeter. Eigentlich liegt sie wunderbar. Eigentlich. Denn vis-à-vis befindet sich der sogenannte Odeonpark, zu dem ich im Laufe der Jahre eine Hassliebe entwickelt habe, was wiederum daran liegt, dass der Park seinem Namen nur bedingt gerecht wird. Der Odeonpark, muss man nämlich wissen, besteht aus Beton, Asphalt und Schotterflächen.

Das ist einerseits nervig beim Fußballspielen, denn der abgeprallte Fußball hat ein vielfaches Echo. Und wenn nachts im sogenannten Park, also zwei Stockwerke unter uns, jemand telefoniert, dann hört man nicht nur das, was er sagt, sondern auch das, was ihm ins Ohr geflüstert wird. Ich könnte einen Roman über die mitgehörten Telefonate schreiben, aber ich fürchte, der Plot würde nicht gut ausgehen – vor allem nicht für die Behörden und Stadtplaner. Das wäre ein Meuchelkrimithriller.

Was die Wohnung selbst betrifft: Unsere Möbel sind zwar ein bissl abgefuckt, das Funktionsspektrum jedoch spiegelt – was mich jetzt einigermaßen überrascht – ein fast schon bürgerliches Leben wider: Bibliothek, Klavier und Ofen im Wohnzimmer. Über allem liegt der Hauch der Sechzigerjahre.

Wir haben zwar eine Zentralheizung, aber ich hasse Zentralheizungen. Dieses Ding gurgelt und faucht, und immer ist es dort heiß, wo man es nicht braucht, nämlich unterm Fenster, während der Rest des Raums arschkalt bleibt. Daher haben wir beschlossen, uns einen Ofen zuzulegen. Ich liebe diese primitive, archaische Hitze. Das verleiht einem so ein uriges, jurtiges, zeltiges Unterstandsheimatgefühl. Wie man merkt, haben wir uns mit dem Abfackeln des letzten Weihnachtsbaums ein bissl viel Zeit gelassen.

Den Ofen haben wir aus dem Baumarkt. Der Baumarkt hat echt gute Möbel, bloß darf man dort nicht den Fehler begehen, irgendein teures Ding zu kaufen, denn dann beginnen die Baumarktmenschen, sich einzubilden, Design machen zu müssen. Und das ist nicht gut. Nein, im Baumarkt muss man stets zum Billigsdorfereinstiegsprodukt greifen. Das ist schlicht und schön und kostet im konkreten Fall 149 Euro.

Generell bin ich ein großer Freund von Qualität und Langlebigkeit. Bis in die Siebzigerjahre wurden Möbel – auch die ganz normalen Otto-Normalverbraucher-Möbel – sehr hochwertig produziert, denn die Energiekosten waren niedrig, und das Handwerk hatte einen Stellenwert in der Gesellschaft. Ab dann ging es bergab. Alles, was sich ein Normalo wie ich heute leisten kann, ist Plastikklumpert und Schrott. Qualität ist unerschwinglich geworden. So bin ich stolz darauf, ein Alte-Sachen-Fanatiker zu sein. Ich habe keine andere Wahl.

Die Klemmlampe am Regal habe ich im Arsenal gefunden. Sie lag einfach da, und ich habe mir eingebildet, sie adoptieren zu müssen. Den Fauteuil haben wir von willhaben. Und das Bücherregal, bitte schön, ist ein selbstgebautes. Ich finde es schön, Dinge zu erhalten und damit Ressourcen zu schonen. Ich finde, diese Verantwortung hat jeder Einzelne von uns. Der Konsumismus, der in uns allen drinsteckt, geht mir echt schon auf den Sack. Ein Freund von mir hat einmal gesagt: Die beste Art, die Welt zu retten, ist, kein Geld zu haben. Ich finde, ich bin ein wunderbarer Weltenretter." (11.4.2016)