Athen/Sofia – Sie hielten sich an der Ankerkette der "Lesvos" fest, doch das Auslaufen der türkischen Fähre mit 45 Flüchtlingen an Bord konnten drei Aktivisten am Freitagmorgen freilich nicht verhindern. Zum zweiten Mal in dieser Woche hat Griechenland Flüchtlinge von den Ägäisinseln in die Türkei abgeschoben. Die drei Schwimmer im Hafenbecken von Mytilini, dem Hauptort von Lesbos, nahm die Polizei fest. Doch die Welle der Kritik gegen das Rücknahmeabkommen zwischen der EU und der Türkei wird nur immer größer.

Insgesamt 124 illegale Migranten wurden am Freitag in Begleitung von Polizeibeamten der europäischen Grenzschutzbehörde Frontex mit zwei gecharterten Fähren in die türkische Hafenstadt Dikili gebracht. Sie alle hätten keinen Asylantrag gestellt, versicherte die Regierung in Athen.

Asylanträge ignoriert

Doch zumindest bei der ersten Massenabschiebung am vergangenen Montag gab es offenbar eine Panne. 13 der 202 zurückgebrachten Flüchtlinge hätten sehr wohl Asyl in Griechenland beantragen wollen, erklärte später ein hoher UNHCR-Vertreter auf der türkischen Seite. Die griechische Polizei hätte die Anträge der afrikanischen Flüchtlinge aber nicht entgegengenommen. Trifft dies zu, hätte Griechenland wohl gegen die Genfer UN-Flüchtlingskonvention verstoßen.

Auf die Fähre "Lesvos" wurden am Freitag 45 Pakistani gebracht, im zweiten Kontingent von 79 Flüchtlingen sollen Marokkaner, Inder, Palästinenser und Iraker gewesen sein. Zwei Wochen lang pausieren nun die Abschiebungen, so gab der Krisenstab in Athen bekannt. In der Zeit sollen Asylanträge bearbeitet werden.

Unzureichende Ressourcen

Drei Wochen nach dem Inkrafttreten des EU-Türkei-Abkommens steht die Verwaltung in den Internierungslagern der fünf Flüchtlingsinseln – Lesbos, Chios, Samos, Kos und Leros – noch am Anfang. Allein die europäische Behörde für Unterstützung in Asylfragen (EASO) konnte bis Mitte dieser Woche nur ein erstes Team von 66 Übersetzern und Asylexperten auf Lesbos stationieren. Dabei wurde Athen die Entsendung von insgesamt 2300 Experten aus den anderen EU-Mitgliedsstaaten zugesichert, als Mitte März in Brüssel das Flüchtlingsabkommen mit der Türkei geschlossen wurde.

Der einzige Beamte, der bis Mitte der Woche Asylfälle im Lager auf Chios bearbeitete, gab der Menschenrechtsorganisation Amnesty International eine ernüchternde Bilanz: 883 Anträge erhalten, zehn bearbeitet, neun davon abgelehnt. Amnesty erhob nach einem Besuch in den Lagern schwere Vorwürfe wegen der Behandlung der Insassen. (Markus Bernath, 8.4.2016)