Rom – Österreich und Italien wollen alle notwendigen Schritte unternehmen, um eine Schließung der Brenner-Grenze zu verhindern. Das sagte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) am Freitag nach dem Treffen mit ihrem italienischen Amtskollegen Angelino Alfano in Rom.

"Wir werden alles tun, um die Reisefreiheit über den Brenner sicherzustellen. Aber dazu sind Schritte notwendig. Die italienische Regierung muss unter anderem dafür sorgen, dass alle Flüchtlinge an Hotspots lückenlos registriert und in deren Nähe untergebracht werden. Das Signal, das durchkommen muss, ist, dass sich die Flüchtlinge nicht aussuchen können, wo sie registriert werden", so Mikl-Leitner bei einer Pressekonferenz in der österreichischen Botschaft in Rom.

Sollte es trotz Italiens Bemühungen zu unkontrollierten Migrationsströmen kommen, werde Österreich die Grenzen "rigoros" kontrollieren müssen. "Daher werden wir das Grenzkontrollmanagement mit allen technischen Mitteln aufstocken", betonte die Innenministerin.

Informationsaustausch intensiviert

Außerdem wollen Österreich und Italien ihren Informationsaustausch im Kampf gegen Terrorismus und illegale Einwanderung intensivieren. Dies betonte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) bei ihrem Gespräch mit ihrem italienischen Amtskollegen Angelino Alfano in Rom.

Besonders interessant sei die von Italien beschlossene Einrichtung einer DNA-Datenbank, die zu einem wichtigen Instrument im Kampf gegen grenzüberschreitende Kriminalität werden könne, sagte die Ministerin. Im Gespräch mit Alfano drängte sie auf die Ratifizierung eines bilateralen Polizeikooperationsabkommens im italienischen Parlament, das im vergangenen Jahr unterschrieben worden war.

Mikl-Leitner berichtete, sei habe Alfano über die Vorbereitungen informiert, die Österreich im Fall einer Grenzschließung infolge unkontrollierter Flüchtlingsströme ergreifen werde. "Das Wichtigste ist, dass die Kontrollen auf italienischer Seite bereits in den Zügen in Richtung Österreich stattfinden. Wir werden Italien dabei unterstützen", versicherte die Ministerin. Auch Kontrollen auf der Autobahn und auf den wichtigsten Verkehrsachsen seien geplant. "Auf österreichischer Seite ist alles so vorbereitet, dass der Verkehr so wenig wie möglich behindert wird. Wir wollen keine Probleme im touristischen und wirtschaftlichen Rahmen verursachen. Staus können jedoch nicht ausgeschlossen werden.", so die Ministerin.

Sie sei sich im Klaren, dass durch eine mögliche Grenzschließung Beeinträchtigungen entstehen könnten. "Es ist jedoch meine Aufgabe als Innenministerin, Sicherheit und Stabilität zu garantieren", so Mikl-Leitner. "Pro 1.000 Einwohner hat Österreich 10,3 Flüchtlinge aufgenommen, Italien 1,4. Wir haben zwar eine Obergrenze für die jährliche Flüchtlingsaufnahme fixiert, das bedeutet aber nicht, dass sich Österreich abschottet. Wir kommen unserer humanitären Tradition nach wie vor nach, achten dabei besonders auf Integration. Als christlich-soziale Politikerin würde ich mir wünschen, dass alle EU-Länder dieser Tradition nachkommen", sagte die Minister.

Kritik an Mikl-Leitners Prognose

Vor dem Treffen hatte Italiens Staatssekretär im Innenministerium, Filippo Bubbico die Prognose Mikl-Leitners, wonach dieses Jahr 300.000 Migranten in Italien eintreffen könnten, als haltlos bezeichnet. Zuletzt sei vor allem in der entgegengesetzten Richtung, also von Österreich nach Italien, ein Migrationszuwachs festgestellt worden, sagte Bubbico laut Medienangaben vom Donnerstag.

"Wir nehmen die Flüchtlinge auf, die in Italien eintreffen. Wenn Österreich nicht Europas Beschlüsse in punkto Flüchtlingsthematik teilt, ist dies ein Problem der Regierung in Wien. Wir brauchen niemandem Erklärungen zu geben, weil wir unsere Pflicht gegenüber den internationalen Konventionen und den EU-Beschlüssen erfüllen", sagte Bubbico.

Kritik von Lega Nord

Die ausländerfeindliche Lega Nord kritisierte indes die Flüchtlingspolitik der Regierung von Premier Matteo Renzi scharf. "Österreich schließt den Brenner, während bei uns illegale Migranten ohne Probleme und ohne Kontrollen eintreffen. Oder wir holen sie selber aus ausländischen Gewässern, wir nehmen sie auf und brauchen Jahre, um festzustellen, ob sie hierbleiben dürfen oder nicht", kritisierte der Vizepräsident des Senats und Spitzenpolitiker der Lega Nord, Roberto Calderoli.

Italien solle sich laut Calderoli an Österreich ein Beispiel nehmen. "Wer die Bedingungen für Asyl nicht erfüllt, darf nicht einmal einreisen. Diese Menschen dürften nicht einmal abfahren", so Calderoli.

Weitsichtigere Bewertungen

Die Präsidentin der Region Friaul Julisch Venetien, Debora Serracchiani hat eine mögliche Grenzschließung am Brenners als "Wirtschaftsdesaster" bezeichnet. "Ich hoffe, dass weitsichtigere Bewertungen sich in Wien und in anderen Hauptstädten durchsetzen werden", so Serracchiani in einer Aussendung.

"Die Schließung des Brenners und anderer interner EU-Grenzen ist keine Lösung für die Flüchtlingsproblematik und würde die europäische Kohäsion zerstören. Sie wäre außerdem ein wahres Wirtschaftsdesaster für Österreich und Italien", schrieb Serracchiani.

"Wir sind seit jeher mit Ländern wie Österreich und Slowenien solidarisch gewesen, die in den vergangenen Monaten einen Flüchtlingsdruck aushalten mussten, der in Relation zu ihrer Größe übermäßig ist. Auch deswegen haben Italien und Friaul die Anpassung der europäischen Migrationsgesetze gefordert", so Serracchiani.

Deutscher Koalitionsstreit beigelegt

Beigelegt ist der deutsche Koalitionsstreit über die Aufhebung der Kontrollen an der österreichischen Grenze. Auch aus Sicht der CSU. Bundeskanzlerin Angela Merkel habe beim jüngsten Koalitionsgipfel klargemacht, dass eine solche Entscheidung nicht ohne Rücksprache mit Bayern getroffen werde, berichtet die "Süddeutsche Zeitung" vom Freitag unter Berufung auf CSU-Kreise. Das Thema sei vorerst "abgeräumt".

Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer selbst sagte dem Blatt, es habe sich bei dem Gespräch am Mittwochabend schnell herausgestellt, dass Merkel in diesem Fall die Position der CSU teile. Diese sei: "Ein Wegfall der Grenzkontrollen zu Österreich geht nur, wenn der Schutz der EU-Außengrenzen wieder wirksam erfolgt, und die Zahlen der Zuwanderer so begrenzt bleiben."

Kurz vor dem Spitzentreffen in Berlin hatte der deutsche Innenminister Thomas de Maizère bei einem Besuch in Wien in Aussicht gestellt, die Kontrollen am 12. Mai auslaufen zu lassen. Damit löste er heftigen Protest in Bayern aus. Seehofer warf dem Minister "selbstherrlichen Regierungsstil" vor, weil Bayern als hauptbetroffenes Land nicht informiert worden sei. (APA, 8.4.2016)