Das Thema der karibischen Briefkastenfirmen und mögliche Verstrickungen der Pekinger Führung in Geldwäsche und Steuerhinterziehung ist in China tabu. So sehr, dass die Zensur am Donnerstag, dem "Chinatag", an dem das "Internationale Konsortium Investigativer Journalisten (ICIJ)" seine Erkenntnisse zu chinesischen Offshore-Konten bekanntgab, wie eine Internetfeuerwehr Großeinsätze zum Löschen fuhr.

Das Konsortium veröffentlichte alle Namen von Verwandten chinesischer Parteiführer, die als Besitzer der Briefkastenfirmen auftauchen. Neu zum vorab schon genannten Präsidenten Xi, seinem Propagandachef Liu Yunshan und Vizepremier Zhang Gaoli steht nun auch der Sohn des 1989 gestorbenen Parteichef Hu Yaobang auf der Liste, die Tochter von Ex-Premier Li Peng, der Bruder des früheren Vizepremier Zeng Qinghong, oder die Enkelin von Jia Qinglin, einst Nummer vier im Ständigen Politbüro-Ausschuss. Alle diese "roten Erben" besitzen Millionenvermögen und parken Teile davon in Briefkastenfirmen.

Öffentliche Untersuchung außer Frage

Zwar wird keinem der genannten Politiker eine direkte Beteiligung an den Offshore-Konten zugeschrieben. Aber sie wären mit kompromittiert, falls die Konten von ihren Verwandten zur Steuerhinterziehung, Geldwäsche oder Kapitalflucht benutzt werden. Eine öffentliche Untersuchung steht in China außer Frage. Staatschef Xi ist zumindest der Gefahr frühzeitig entgangen, in dubiose Geldgeschäfte verwickelt zu sein. Sein Schwager und Unternehmer Deng Jiagui hatte zwar drei Offshore-Unternehmen 2004 und 2009 gegründet. Doch eine der Firmen löste er 2007 auf. Die anderen wurden 2012 stillgelegt, als Xi den Parteivorsitz antrat.

Erstmals wird aber das Ausmaß der chinesischen Geschäfte mit Briefkastenfirmen deutlich. Unter den 214.000 Konten, die von der Mossack Fonseca Kanzlei einst gegründet wurden, hatten 40.000 Besitzer aus Hong Konk oder China. Von diesen Offshore-Konten waren Ende 2015 noch 16.300 aktiv, weil sie an die Kanzlei weiter Gebühren zahlten. Das erklärt auch, warum die Kanzlei, die eine der fünf weltgrößten Gründer von Offshore-Firmen ist, auf dem chinesischen Festland acht Vertretungen unterhält. Ein Großteil ihrer Konten gehört Chinas superreichen Konzernchefs, die so Teile ihres Vermögens unerkannt im Ausland anlegen konnten.

Kapitalabfluss

Die boomenden chinesischen Geschäfte mit den karibischen Steueroasen verraten zugleich den gigantischen Kapitalabfluss aus China. Nach Schätzungen, die auch das ICIJ Konsortium benutzte, flossen letztes Jahr illegal rund eine Billionen US-Dollar ins Ausland. Offiziell dürfen aus China pro Person und Jahr nur 50.000 US-Dollar transferiert werden.

Es gibt aber keine belastbaren Zahlen, wie viel Geld unter den 16.300 Briefkastenfirmen verbucht ist. Doch ein Konto hilft nun das Geheimnis um einen der aufregendsten Politkrimis Chinas zu lösen, den Giftmord am britischen Geschäftsmann Neil Heywood durch Frau Gu Kailai. Die Ehefrau des Chongqinger Parteichefs und Politbüromitglied Bo Xilai brachte Heywood 2011 um, weil dieser sie mit ihrer zehn Jahre alten Briefkastenfirma auf den Jungferninseln erpresst haben soll.

Frau Gu hatte sich mit illegal ins Ausland transferierte Mitteln eines befreundeten Großunternehmer und über ihr Offshore-Konto 2001 eine Villa an der französischen Riviera für 3,2 Millionen Dollar gekauft. Familienfreund Heywood, sollte helfen, die Villa zu verwalten. Er habe zu viel Geld verlangt, drohte auszupacken und hätte damit den Aufstieg ihres Mannes in die höchste politische Macht gefährdet. Frau Gu und später auch ihr Mann wurden zu lebenslanger Haft verurteilt. (Johnny Erling aus Peking, 7.4.2016)