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Der irakische Ministerpräsident Haidar al-Abadi (hier auf einem Archivbild von 2014) ist ein einsamer Mann. Unter Reformzwang hat er einen Vorschlag für ein Technokratenkabinett erstellt, das jedoch auf Widerstand der Parteien stößt. Nächste Woche entscheidet das Parlament.

Foto: Reuters/Al-Sudani

Bagdad/Wien – Die neue irakische Reformregierung, wie sie sich Premier Haidar al-Abadi vorstellt, zerbröckelt, bevor sie nächste Woche zur Abstimmung ins Parlament kommt: Nachdem Abadis Wunsch-Ölminister Nizar Salim Numan bereits am Wochenende seine Nominierung zurückgezogen hatte, ließ am Mittwoch der als Finanzminister in Stellung gebrachte Ali Allawi ausrichten, er stehe nicht zur Verfügung: zu viele "politische Interventionen und parteipolitisches Gezänk".

Ob Abadi sein – bis auf Innen- und Verteidigungsminister völlig neues und abgespecktes – Technokratenkabinett tatsächlich im Alleingang erstellt hat, wie es ihm die Parteien vorwerfen, ist nicht ganz klar: Abadi behauptet, so berichtet "Middle East Eye online", er habe um Personalvorschläge ersucht, aber keine bekommen. Seine erklärte Absicht ist jedoch, den Zugriff der Parteien auf die Ministerien – die die Parteien als eigene Pfründen ansehen und behandeln – zu schwächen. Von unabhängigen Experten als Ministern erwartet Abadi wohl auch professionellen Anforderungen entsprechende Umbesetzungen im Mittelbau der Ämter.

Die Parteien in Abadis Einheitsregierung wehren sich jedoch gegen den dräuenden Machtverlust. Eindeutig unterstützt wird der Premier nur von den Sadristen, der Bewegung des schiitischen Mullahs Muqtada al-Sadr, der Ende März seine Anhänger zu einem großen Sit-in in der ehemaligen Grünen Zone aufmarschieren ließ. Das mag die Erstellung der Ministerliste beschleunigt haben. Auch andere schiitische Parteien erklärten sich vorerst bereit, die Regierungsumbildung zu unterstützten, aus Angst vor einer innerschiitischen Konfrontation, die auch in Gewalt hätte münden können. Aber Abadi hat – wieder einmal – versäumt, seine politischen Schritte durch Konsultationen abzusichern.

Der "Anti-Maliki"

Der Schiit Abadi ist als so etwas wie ein "Anti-Maliki" im Herbst 2014 ins Amt gekommen: Im Sommer zuvor war die zweitgrößte Stadt des Irak, Mossul, an den "Islamischen Staat" (IS) gefallen, was Premier Nuri al-Maliki und seiner sunnitenfeindlichen Politik angelastet wurde. Abadi, wie Maliki von der Dawa-Partei und der Rechtsstaats-Allianz, hat seitdem versucht, das ethnisch-konfessionelle Proporzsystem – das nicht in der irakischen Verfassung steht – aufzubrechen. Dabei geht er aber nicht nur politisch ungeschickt vor, sondern nimmt auch selbst kaum Rücksicht auf die Verfassung. Den Rückhalt, den er bei der wichtigsten schiitischen Autorität in Najaf, Großayatollah Ali Sistani, fand, hat er dadurch schon teilweise eingebüßt.

Und im Hintergrund wartet Maliki, dem Abadi seinen Vizepräsidentenposten gestrichen hat, auf seine Wiederkehr: Er wird von proiranischen schiitischen Milizen unterstützt. Die Sorge ist nun, dass sie die großen Profiteure sein könnten, wenn Abadi stürzt. Das würde auch die Versöhnung mit den arabischen Sunniten – unverzichtbar für einen politischen Neuanfang, wenn der "Islamische Staat" geschlagen sein wird – erschweren.

Ministerien als Pfründen

Nun sind aber erst einmal – bis auf Sadr – alle vereint in ihrer Opposition gegen das neue Kabinett. Einige Parteien verlangen eine Erklärung, warum sie "ihre" Ministerien abgeben sollen, und haben angekündigt, dass sie keine Absicht haben, sie zu räumen. Die Kurdische Demokratische Partei (KDP) hat etwa deshalb gegen den von Abadi nominierten – kurdischen – Ölminister opponiert, weil er nicht von ihr vorgeschlagen war. Numan ist Ölingenieur und anerkannter Wissenschafter.

Die meisten Namen auf Abadis Liste sind unbelastet. Ali Allawi, der seine Nominierung zurücklegte, war jedoch bereits Finanz- (2005-06) und auch kurz Verteidigungsminister. Die Expertise kann ihm nicht abgesprochen werden, er hat über das Scheitern des Irak nach 2003 ein Buch geschrieben – an diesem Scheitern war er jedoch selbst beteiligt.

Allawi hat auch eine große Biografie über Faisal I. geschrieben, den 1921 von den Briten installierten ersten haschemitischen König des Irak. Einem Haschemiten will Abadi das Außenministerium anvertrauen: Sharif Ali bin al-Hussein, Chef der Monarchistenpartei und theoretischer Thronprätendent, der sich nach 2003 in der irakischen Politik versuchte, dabei aber völlig erfolglos blieb. Seine Nominierung soll wohl ein Signal an die arabischen sunnitischen Länder sein, nach dem jetzigen Außenminister (und Expremier) Ibrahim al-Jafari, der für eine schiitisch-konfessionelle Politik steht. (Gudrun Harrer, 8.4.2016)