Polizeifotos der Verdächtigen. Links oben der mutmaßliche Chef der Bande, Edin D. (37). Die Staatsanwaltschaft hat die Veröffentlichung der Fotos ausdrücklich genehmigt, man hofft, dass sich weitere Geschädigte melden.

Foto: Bundeskriminalamt

Wien – Der jüngste Schlag des Bundeskriminalamts zeigt, dass Schutzgelderpressung in jüngster Zeit auch in Wien verbreitet war. Im Rahmen der Soko Gambit – benannt nach der Bauernopfer-Eröffnung im Schach – nahm die Polizei in Wien und Vorarlberg acht Personen fest. Sie sollen seit 2013 von Lokalbesitzern auf der sogenannten Balkanmeile in Wien-Ottakring und Rudolfsheim-Fünfhaus bis hin zur Lugner-City mindestens 500.000 Euro Schutzgeld erpresst haben.

Als Pate gilt der in Bosnien geborene Österreicher Edin D. (37), seine ebenfalls in U-Haft befindlichen Komplizen stammen aus Serbien, Kroatien und Tschetschenien. Zwei aus der russischen Republik stammende Verdächtige wohnten zuletzt in Hohenems in Vorarlberg. Die Gruppe agierte unter dem Namen "Struja" (Strom) – "nach dem Motto: Stromstöße, wenn du nicht parierst", sagt Andreas Holzer, Leiter des Büros für organisierte Kriminalität im Bundeskriminalamt.

Schlägereien provoziert

Modus Operandi: Die Bande soll Schlägereien und Schießereien in Lokalen provoziert haben, kurz danach habe es geheißen: Geld, oder so etwa passiere wieder. Außerdem soll die Bande Lokalbesitzern Türsteher und Barpersonal aufgedrängt haben, um Waffen- und Drogenhandel zu ermöglichen und um Umsätze in den Lokalen auszuspionieren. "Die Schutzgeldforderungen waren teilweise absurd hoch", sagt Holzer. Einmal seien 5.000 Euro, ein anderes Mal 50.000 Euro gefordert worden. In einem Fall habe ein Wirt sogar seine Anteile am Lokal verkauft, um die geforderte sechsstellige Summe aufzubringen.

Vager Konnex zu IS

Bei zwei tschetschenischen Verdächtigen besteht zumindest ein vager Konnex zur Terrororganisation "Islamischer Staat". Bei Hausdurchsuchungen wurde eine IS-Fahne gefunden, außerdem posierten die Verdächtigen im Internet mit erhobenem Zeigefinger, was häufig als Zeichen für den IS interpretiert wird. Beide dürften sich im Vorjahr in Frankreich aufgehalten haben.

Edin D. ist in der Wiener Halbwelt kein Unbekannter. Zuletzt wurde er auch bei der Beerdigung einer ehemaligen Wiener Rotlichtgröße gesehen.

Aufgeflogen sind die mutmaßlichen Schutzgelderpresser, weil ein Lokalbesitzer zur Polizei ging. Dutzende Lokale sind betroffen, aber nur wenige Wirte wollten bisher belastende Aussagen machen. Das Bundeskriminalamt weist ausdrücklich auf das Zeugenschutzprogramm hin. (Michael Simoner, 7.4.2016)