Proteste vor dem französischen Parlament in Paris gegen die Abschaffung der Prostitution. Strass, das "Syndikat der Sexarbeit", hat dazu aufgerufen. Auch sonst gibt es kritische Stimmen.

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Der Besuch des Pariser Rotlichtviertels Pigalle kann in Zukunft ganz schön ins Geld gehen. Und das nicht nur wegen der "Tarife" des horizontalen Gewerbes: Wer von der Polizei in flagranti mit einer "belle de nuit" (einer "Nachtschönen") erwischt wird, zahlt in Zukunft 1500 Euro Buße. Im Wiederholungsfall sind es sogar 3750 Euro. Ergänzend kann eine Art Entwöhnungskurs angeordnet werden, wie heute schon bei Alkoholikern möglich.

Ein entsprechendes Gesetz verabschiedete die Pariser Nationalversammlung am Mittwoch definitiv. Der Entscheid fiel so klar aus, dass das Stimmenverhältnis nicht ausgezählt werden musste.

Feministische Ministerinnen wie Marisol Touraine und Najat Vallaud-Belkacem hatten sich jahrelang für die "Abschaffung" der Prostitution eingesetzt. Darunter verstehen sie nicht ein Verbot, sondern einen intensivierten Kampf gegen Zuhälterei und Menschenhandel: 90 Prozent der "prostituierten Personen", wie es geschlechtsneutral heißt, stammen aus dem Ausland – China, Osteuropa oder im Fall vieler Transvestiten aus Südamerika.

Proteste vor dem Parlament

Die Hauptbetroffenen laufen allerdings immer noch Sturm gegen das Gesetz, das ihr Gewerbe "infrage stellt". Das meint das "Syndikat der Sexarbeit" (Strass), das keineswegs als politisch reaktionär gilt und sein Büro bei der militanten Organisation Act Up hat. Es rief am Mittwoch zu Protesten vor der Nationalversammlung auf, weil das Gesetz für die Prostituierten "gefährlich" sei. Denn es vertreibe sie von der Straße in verborgene Hinterzimmer, wo sie gewalttätigen Kunden oder Zuhältern stärker ausgeliefert seien.

Die Initiatorin des Gesetzes, die sozialistische Abgeordnete Maud Olivier, entgegnete in der Parlamentsdebatte, in Ländern wie Schweden, Norwegen und Island habe die bereits eingeführte Freierbuße zu positiven Resultaten geführt: Die Prostitution sei um die Hälfte zurückgegangen, und die anfänglich skeptische öffentliche Meinung sei heute klar für die neue Regelung.

In Frankreich sind derzeit 68 Prozent der Befragten dagegen. Viele wollen nicht verstehen, dass das nicht nur katholische, sondern auch libertäre Frankreich dem skandinavischen Modell folgen soll. Petitionen mit Namen wie "Hände weg von meiner Hure" oder Promis wie Schauspielerin Catherine Deneuve wandten sich gegen die "Verbotskultur".

Patrick Pharo von der Forschungszentrale CNRS meinte, die Prostitution erlaube über die Zwänge des Eheregimes hinaus eine "Bereicherung der sexuellen Praktiken", was auch in Literatur oder Film zum Ausdruck komme.

Für die Juristin und Frauenrechtlerin Christine Le Doaré geht es hingegen darum, "Schuld und Beweislast" von den Prostituierten auf die Freier zu verlagern. Deshalb streicht das Gesetz auch das Verbot des "Anmachens" auf der Straße. Prostituierten war es bisher untersagt, in der Straße auch nur durch augenfällige Kleidung Kunden anzuziehen.

Gegen das Gesetz sind aber auch Feministinnen wie Elisabeth Badinter: "Ich finde es nicht normal, dass man den Frauen erlaubt, sich zu prostituieren, aber den Männern untersagt, zu ihnen zu gehen." Generell widerspreche das Gesetz dem hart erkämpften Frauenrecht, frei über den eigenen Körper verfügen zu können.

Christine Le Doaré entgegnete darauf, diese angebliche Freiheit sei in den meisten Fällen eher ein Fall moderner Sklaverei. Es gehe nicht um Moral oder Prüderie, sondern um das "Austrocknen" des französischen Marktes. Das neue Gesetz sieht deshalb auch vor, dass ausländische Prostituierte, die auf illegale Weise nach Frankreich gekommen sind und ihr Metier aufgeben wollen, eine Starthilfe in Form einer sechsmonatigen Aufenthaltsbewilligung erhalten. (Stefan Brändle aus Paris, 7.4.2016)