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Flüchtlinge im Lager in Idomeni an der griechisch-mazedonischen Grenze protestieren gegen geschlossene Grenzen.

Foto: Reuters / Marko Djurica

Brüssel/Wien – Die EU-Kommission hat am Mittwoch eingeräumt, dass das von ihr vor einem Jahr vorgeschlagene Konzept zur fairen Aufteilung von Flüchtlingen auf alle Mitgliedsländer vorläufig gescheitert ist: "Sie haben völlig recht, es fehlt der politische Wille der Regierungen", sagte der zuständige EU-Kommissar Dimitris Avramopoulos in Brüssel auf die Frage eines Journalisten.

Dieser hatte ihn an seine Ankündigung von Anfang März erinnert, wonach pro Monat 6000 Asylwerber von Griechenland gemäß dem im September beschlossenen "fairen Verteilungschlüssel" in ein anderes EU-Land umgesiedelt werden sollten. Tatsächlich waren es kaum 300. Insgesamt sollten aus Griechenland 66.000 Flüchtlinge (insgesamt 160.000, aus Italien und Ungarn auch) eine neue Heimat finden.

Laut Avramopoulos seien die dem Asylwesen unterlegten EU-Regeln von "Dublin III" mit der Massenflucht über die Balkanroute zusammengebrochen, weil nicht nachhaltig. Sein Medienauftritt mit dem für Grundrechte zuständigen Vizepräsidenten der Kommission, Frans Timmermans, sollte eigentlich dazu dienen, eine Reform dieses Dublin-Systems zu präsentieren. Aber daraus wurde nichts. Wie vom Standard berichtet, legte die Kommission nur "Optionen" vor, wie man zu einem "faireren System" kommen könnte, sollte ein Staat an einer Außengrenze überfordert werden.

"Frontstaaten" entlasten

Denn für die Erfassung und Abwicklung der Asylanträge, für den Schutz von Flüchtlingen sind diese "Frontstaaten" nach geltenden Regeln verantwortlich. Timmermans sagte, die Kommission wolle "vor dem Sommer" einen konkreten Gesetzesvorschlag vorlegen. Bis dahin sollten die Innenminister der Mitglieder, die Regierungen, aber auch das Europaparlament, welches eine Neuordnung der Migrations- und Asylregeln mitbeschließen muss, ihre Vorstellungen einfließen lassen. Als Vorgabe für eine "offene Debatte" (Timmermans) zeichnet die Kommission nur politische Linien.

Die Option 1 würde bedeuten, dass man das Dublin-Regelwerk im Prinzip beibehält, es "schlanker macht und reformiert". Aber es würde ein neuer "Korrekturmechanismus" hinzugefügt für den Fall, dass ein Land den Flüchtlingszustrom "ab einer gewissen Schwelle" nicht bewältigt. Letzteres solle dann eine faire Verteilung ermöglichen. Timmermans nannte es "Modell Dublin plus"

Genau diese Aufteilung hat bisher aber nicht funktioniert. Aus diesem Grund stellt die Kommission als Möglichkeit eine frühere Zentralisierung zur Diskussion: Die Asylverfahren könnten von vornherein nach einem fixen Schlüssel auf die EU-Länder aufgeteilt werden, egal wo Migranten einreisen. Ersterfassung, Identifizierung und Abnahme von Fingerabdrücken blieben im Land an der Außengrenze – so wie derzeit in Griechenland, das Flüchtlinge seit September bis zur Sperre der Balkangrenzen möglichst rasch ausreisen ließ. Die zweite Option wäre mit einer Aufwertung der EU-Asylbehörde durch mehr Entscheidungskompetenz verbunden, eine echte Systemänderung.

In jedem Fall aber müsse es zu einer umfassenden Reform der einzelnen Schritte der Asylverfahren, von der Versorgung bis zu den Rechten der Betroffenen kommen, betonten die Kommissare.

Bisher sind zwar die Grundkriterien für Schutzbedürftige in mehreren EU-Richtlinien harmonisiert. Aber im Konkreten wird das von den Staaten sehr unterschiedlich umgesetzt, etwa was die Zuwendungen in Geld oder Essen und Kleidung betrifft, oder die Möglichkeit zu arbeiten. Ziel müsse mehr Übereinstimmung sein, betonte Timmermans. Migranten dürften sich nicht frei aussuchen, in welches EU-Land sie gehen. Um aber einen "Sog" in einige wenige attraktive Staaten zu verhindern, müssten die Bedingungen angeglichen werden. (Thomas Mayer, 6.4.2016)