"Vier Frauen und ein Todesfall" läuft bald im italienischen Fernsehen. ORF Enterprise meldet einen Abschluss in Cannes.

Foto: ORF / Mican

Cannes/Wien – Angesagte Katastrophen finden selten statt: Für die diesjährige MipTV im französischen Cannes waren nach den Anschlägen von Paris und Brüssel verstärkte Sicherheitsmaßnahmen prophezeit. Höchste Warnstufe sollte an der Croisette gelten. Von mehr als 9000 Sicherheitskräften für die rund 11.000 Besucher der größten Messe für den Handel von Fernsehrechten war im Vorfeld die Rede. Mehr als 500 Überwachungskameras sollten für Sicherheit sorgen.

"Völlig normal, überhaupt nicht auffällig" erlebte hingegen Beatrice Cox-Riesenfelder die Sicherheitsmaßnahmen bei der Messe von Montag bis Mittwoch. Die ORF-Enterprise-Chefin handelt über die kommerzielle Tochter des Gebührenfunks Rechte aus. Der Hit dieses Mal ist ein Abschluss mit dem Iran, der ein Universum über die Fauna des Landes zum Inhalt hat. Die Doku ist im Werden, geplanter Ausstrahlungstermin nicht vor 2018.

Halbstundentermine

Verkaufen will auch Jan Mojto. 500 Stunden Film- und Fernsehstoff hat der slowakische Produzent und Rechtehändler im Gepäck. Seine Beta Film gehört zu den großen Nummern der Branche. Vier Tage absolviert der 67-Jährige in Cannes getaktete Halbstundentermine. Mojto kommt seit 1978: "Zusammengezählt habe ich mehr als eineinhalb Jahre meines Lebens bei der Mip verbracht." Die Messe findet im Frühjahr und im Herbst statt.

Mojtos Premiumprodukte in diesem Jahr sind Mitten in Deutschland: NSU, Duell der Brüder, Spuren des Bösen, Serien wie Gomorrha und die ORF-Koproduktion Maximilian. Seine wichtigsten Abnehmer hat er in Kontinentaleuropa.

"Die Anzahl unserer Kunden hat sich mindestens verdoppelt", sagt Mojto. Der Anstieg ist dem digitalen Zeitalter geschuldet. Contentanbieter allerorten wachsen wie Schwammerln aus dem Boden und gieren nach Inhalten.

Laut einer Studie der Europäischen Audiovisuellen Informationsstelle hat sich die Gesamtzahl der Fernsehsender in den letzten sechs Jahren nahezu verdoppelt. Analysen belegen, dass die Anzahl der von Plattformen wie Netflix und Amazon produzierten Filme und Serien inzwischen jene von traditionellen Kabelkanälen übersteigt.

Rechtehandel fragmentierter

Das hat Auswirkung auf den Rechtehandel. Ein Film wird nicht mehr wie früher nur mit mehreren "Spielungen" verkauft, sondern fragmentierter. Verhandelt werden Rechte für Kino, Pay-TV, Free TV, DVD, Video-on-Demand, Abo, Download, Kombinationen und etliches mehr. "Wir müssen mehr arbeiten", sagt Mojto. Er ist mit 40 Händlern an den Ständen im Grand Palais.

"Die Gewohnheiten der Sender ändern sich so weit, dass sie Rechte für kürzere Laufzeiten und für weniger Geld kaufen. Aber wenn man die richtigen Programme hat, kann man diese immer wieder verkaufen, und dadurch kommt man in Summe auf mehr als früher. Aber der Aufwand ist viel größer", sagt Mojto zum STANDARD.

"Keinen Preisverfall" konstatiert ebenfalls Cox-Riesenfelder für ORF-Produktionen. Bestseller im Gepäck sind wieder Universum-Dokus, 33 aktuelle Titel bot der ORF feil. Überraschend stark sei das Interesse an Europa: Dokus über den Nationalpark Kalkalpen, Venedig und die Dolomiten rissen sich Korea, Thailand, Italien, Frankreich und Dänemark unter den Nagel. Zwischen 1000 und 70.000 Euro zahlten Abnehmer in den letzten Jahren für eine Universum-Doku, je nach Kaufkraft.

"Massen an Krimireihen"

Fiktional brachte Cox-Riesenfelder Vier Frauen und ein Todesfall an Fox Italien. Vorläufig gering sei das Interesse an den Vorstadtweibern, sagt Cox-Riesenfelder. Ebenso verhalten seien die Anfragen zu den ORF-Landkrimis. Hier drücke das Angebot: "Jeder Sender, jedes Land bietet Massen an Krimireihen an, da bewegt man sich in einem hochkompetitiven Markt", sagt Cox-Riesenfelder, gibt sich aber zuversichtlich: "Bis jetzt haben wir noch alles verkauft." Sie verweist auf den Österreich-Tatort, der lange Zeit Ladenhüter war. Seit Adele Neuhauser ermittelt, fänden die Folgen Absatz.

Den Tod des traditionellen Fernsehens kann Mojto aus alldem nicht ableiten: "Fernsehen stirbt angeblich schon lange und lebt trotzdem noch sehr gut." Allerdings werde sich Schema-TV verändern müssen, mehr einmaliges Ereignis sein: "Lagerfeuercharakter" nennt das Mojto. (Doris Priesching, 6.4.2016)