Völlig selbstverständlich wirft Koch Stefan Trautsch eine Handvoll Wüstenheuschrecken in die Pfanne, um sie in grobem Meersalz zu sautieren. Allein die Vorstellung, die eigene Pfanne – in der sonst Spiegeleier oder Steaks angebraten werden – mit Insekten zu befüllen, ruft bei den meisten Menschen bereits ein Ekelgefühl hervor.

Umso überraschender ist es, dass die Teilnehmer des Insektenkochkurses, den Trautsch im Wiener Future-Food-Studio abhält, derart unvoreingenommen und gespannt das Hantieren mit den Sechsbeinern am Herd beobachten.

Foto: Speiseplan

Fast schon gierig darauf, das Insekt endlich zu verkosten, warten sie auf den ersten Gang des Abends: Heuschrecke auf Pumpernickel mit Kräuterseitling und Ziegenkäse. Noch bevor die Vorspeise angerichtet ist, lässt es sich der eine oder andere nicht nehmen, eine Schrecke zu verkosten.

Heuschrecke auf Pumpenickel mit Kräuterseitling und Ziegenkäse.
Foto: Dieter Kolbe

Der Initiator des Kurses und Insektenverkäufer Christoph Thomann kommt gerade noch dazu, vor den Flügeln und Beinen des Getiers zu warnen. Diese müssen nämlich gut gekaut oder im Zweifel vor dem Verzehr entfernt werden. Die kleinen Beinchen könnten sonst mit ihren Widerhaken wie Fischgräten in der Speiseröhre festhängen.

Sehr knusprig und nussig beschreiben die Neoinsektenfans den gerösteten Gliederfüßer. "Das schmeckt besser als jeder Snack. Ich glaube, ich esse jetzt Heuschrecken statt Chips, wenn ich abends vor dem Fernseher sitze", konstatiert ein Mutiger in der Runde. Nicht die Springbeine der Heuschrecke, sondern das Lachen bleibt dem jungen Mann fast im Halse stecken, als er erfährt, was der Insekten-Snack kosten soll.

300 Euro für ein Kilo Heuschrecken

Für ein Kilogramm Wüstenheuschrecken muss man im Moment rund 300 Euro berappen. Dafür kommen die Tiere aber auch aus heimischer Landwirtschaft oder besser gesagt aus einer Insektenzuchtstation aus Vorarlberg.

Wenn sie ausgewachsen sind, werden sie einfach tiefgefroren und sollen friedlich einschlafen, versichert Thomann. Doch das tröstet ebenso wenig wie der hohe Proteingehalt über die Tatsache hinweg, dass wir bei Insekten zuerst an Ungeziefer und nicht an Delikatesse denken.

Knusprig, nussig und teuer: Heuschrecken in Salz.
Foto: Dieter Kolbe

Doch es gibt offenbar Menschen, die angelernte Muster wie Ekel und ihre Abneigung gegenüber den kleinen Tierchen ablegen wollen. Ein Insektenkochkurs könnte der erste Schritt sein. Berührungsängste hat zumindest keiner der Teilnehmer, wie es scheint.

Während das junge Pärchen gerade Heimchen (Langfühlerschrecken) mit Nüssen und Rosinen anröstet, bereiten drei Männer die Teller für den nächsten Gang vor. Das etwas andere Studentenfutter wird auf einem Salatbeet mit warmer Karottencreme und Dijonsenf serviert. Würden die Insekten noch leben, sie hätten ihre wahre Freude mit dem Grünzeug auf dem sie sitzen. Doch in diesem Fall befinden sie sich am untersten Ende der Nahrungskette und werden mit Genuss von den Anwesenden verspeist.

"Irgendwann werden wir alternative Eiweißquellen brauchen. Für mich ist es kein Thema mehr. Aber meine Enkel wird das betreffen", antwortet der ältere Herr auf die Frage nach der Motivation, einen Insektenkochkurs zu besuchen. Seine Freunde seien in letzter Sekunde abgesprungen, weil die Vorstellung, Heuschrecken und Würmer zu essen, für sie dann doch zu heftig war.

Genussmittel oder Eiweißquelle?

Insekten als Alternative und Proteinquelle – das ist nach wie vor eines der Hauptargumente der Insektenesser, wird Fleisch in einigen Jahren schließlich nicht mehr in diesen rauen Mengen vorhanden sein wie heute. Doch essen wir Fleisch tatsächlich, weil wir unbedingt Eiweiß zu uns nehmen wollen?

Fleisch ist für die meisten immer noch ein äußerst schmackhaftes Genussmittel. Ob Insekten jemals ein saftiges vor Blut triefendes Rindersteak oder ein stundenlang gekochtes und butterweiches Schulterscherzl ersetzen werden, bleibt fraglich. Fest steht jedenfalls, dass Fleisch in Zukunft teurer wird.

2050 soll, laut Welternährungsorganisation (FAO), ein Kilogramm Fleisch 50 Euro kosten. Die gleiche Menge Insekten werde man hingegen um fünf Euro bekommen. Davon ist man jetzt noch weit entfernt. Beim Thema Nachhaltigkeit lassen Insekten allerdings schon jetzt jedes Rind wie eine dumme Kuh aussehen, brauchen sie doch wesentlich weniger Futter und Wasser. Das liegt daran, dass sie wechselwarme Tiere sind und somit weniger Energie benötigen. Auch der CO2-Ausstoß ist viel geringer als bei anderen Nutztieren.

Die Grillen kommen ins Ratatouille.
Foto: Dieter Kolbe

Das gute Eiweiß

Pioniere wie Thomann wollen dazu beitragen, dass manche Menschen zumindest darüber nachdenken, Insekten als alternative Proteinquelle in Betracht zu ziehen. Fernsehshows, in denen Z-Promis Insekten essen müssen, sind da eher kontraproduktiv. Vor allem, weil diese meist wenig mit Speiseinsekten zu tun haben.

Von Krabbeltieren aus Tierhandlungen oder von irgendwelchen Märkten im Ausland ist abzuraten. Sie sind oft keimbelastet und unterliegen nicht den gleichen Kriterien, wie jene, die zum menschlichen Verzehr gezüchtet werden. Die im Kochkurs verwendeten Insekten stammen aus Thomanns Partnerbetrieben.

Beim Verspeisen des nächsten Gangs – Ratatouille mit gebratenen Grillen und in Buffalo-Würmern gewälzte Grießschnitte – schaufeln nicht mehr alle Teilnehmer so herzhaft rein wie zuvor. "Da sind schon ganz schön viele Tiere drinnen", stellt die junge Dame fest, die kurz zuvor noch höchst euphorisch Selfies mit Heuschrecken im Mund gemacht und auf Facebook gepostet hat.

Grillen unterscheiden sich nicht nur optisch, sondern auch geschmacklich von Heuschrecken. Sie schmecken fleischiger und sind leicht süß, vergleichbar mit Datteln im Speckmantel. An Eiweißmangel leiden die Teilnehmer an diesem Abend zumindest nicht, haben sie doch einiges Getier verzehrt.

Zum Abschluss gibt es natürlich noch ein Dessert: Gâteau au Citron wird aus dem Mehl geriebener Heimchen hergestellt. Und gerade als man sich freut, gleich in den augenscheinlich insektenfreien, gelb glänzenden Kuchen zu beißen, bittet der Koch die Teilnehmer, eine Heuschrecke als Topping daraufzusetzen. Der Bedarf an Insekten ist – zumindest an diesem Abend – bei den Beteiligten gedeckt. (Alex Stranig, RONDO, 8.4.2016)

Gâteau au Citron aus Heimchenmehl mit Heuschrecken-Topping.
Foto: Dieter Kolbe