Derzeit hat die University of People 3000 Studierende aus 180 Ländern. Sie lernen mit dem Laptop, dem Smartphone oder im Internetcafé.

Foto: iStock

Shai Reshef, University of the People: "Es gibt keinen besseren Nutzen für das Internet als Bildungsvermittlung."

Foto: University of the People

Im Bus studiere er mit dem Smartphone, sagt Mostapha Ramadan. Der 26-jährige Syrer lebt zurzeit in Istanbul und ist Student an der kalifornischen University of the People (UoPeople) – einer Online-Uni, die von ihrem Präsidenten Shai Reshef liebevoll "university in a bag", sinngemäß: Universität zum Mitnehmen, genannt wird. Wer dort studieren will, braucht nur einen Computer, ein Tablet – oder eben ein Smartphone. Einige Studierende würden aber auch im Internetcafé lernen, sagte Reshef dem STANDARD. Ideale Bedingungen für Studenten wie Ramadan. Er hat, auf der Flucht vor dem Krieg in seinem Land, ein flexibles Studienprogramm gesucht. Die UoPeople bietet ihm ein solches. Und sie ist noch dazu gebührenfrei. Wie das geht? "Indem wir ausschließlich Dinge nutzen, die kostenlos sind", sagt Präsident Reshef. "Das Internet, Open Source und Material, das Wissenschafter im Netz frei zur Verfügung stellen."

Aus 180 Ländern

Auch die rund 4000 Professoren – die teils von renommierten Institutionen wie der New York University und der Columbia University kommen – unterrichten ehrenamtlich, sagt der israelische Unternehmer. Er selbst hat Millionen Dollar springen lassen für sein Anliegen, Bildung für möglichst viele zu ermöglichen.

2009 gegründet, erreichte die Online-Uni 2014 ihre Akkreditierung. Angeboten werden bis dato die Bachelorstudiengänge Business Administration und Computer Science, "solche, die den Absolventen weltweit helfen werden, einen Job zu finden". Erst kürzlich annoncierte die Universität den Start eines MBA-Programms im September dieses Jahres. Geplant sei auch ein Studiengang Health Science, sagt Reshef. "Besonders in Entwicklungsländern werden diese Fachkräfte gebraucht."

Derzeit hat die UoPeople 3000 Studierende aus 180 Ländern. Für ihre Inskription sollen Studierwillige Nachweise über ihren Schulabschluss bringen. "Wenn sie das aber nicht können, weil sie beispielsweise flüchten mussten, finden wir eine Lösung." Mittels Prüfungen könne schnell festgestellt werden, ob sie die nötigen Fähigkeiten mitbringen. "Uns geht es nicht um Zeugnisse oder darum, dass unsere Studierenden einen Aufenthaltsstatus haben. Wichtig ist, dass sie unsere Standards erfüllen."

(Fast) alles virtuell

Unter den Studierenden sind Überlebende des Erdbebens in Haiti, des Völkermords in Ruanda oder Flüchtlinge aus Syrien wie Ramadan. Die meisten leben aktuell jedoch in den USA – "wurden aber oft außerhalb geboren". Rund ein Drittel der Studierenden stammt aus Afrika, viele aus dem Mittleren Osten, der Rest aus anderen Teilen der Welt.

Sie alle treffen sich in den virtuellen Seminarräumen der UoPeople, wo sie Aufgaben gestellt bekommen. Gelehrt wird hauptsächlich mit Text. Videos sind maximal Zusatzmaterial, nie obligatorisch, denn das Studium soll auch mit Geräten mit weniger schneller Internetverbindung bewältigbar sein. Jede Woche gilt es, gemeinsam eine Frage zu diskutieren. Reshef: "Jeder soll seinen Beitrag leisten und die Beiträge der anderen kommentieren. Ein Instruktor greift ein, wenn jemand einen Fehler macht, und antwortet, wenn wer eine Frage stellt." Bewertet wird mithilfe von Hausaufgaben und einem Quiz; Wortmeldungen zählen positiv für die finale Note.

Herausforderungen

Nach neun Wochen müssen die Studierenden in ihrem jeweiligen Land vor einer Aufsichtsperson eine Prüfung ablegen. "Sie sind das Einzige, das live stattfindet", sagt Reshef – und (neben einer Inskriptionsgebühr) auch das Einzige, wofür Kosten anfallen: 100 US-Dollar sind es pro Examen.

Für jene, die sich das nicht leisten können, stellt die Universität Stipendien bereit. Sie werden von Stiftungen finanziert, aber auch von Megakonzernen – HP, Google, Microsoft, Western Union, Intel und anderen. Auch der Computerwissenschaftsstudent Mostapha Ramadan erhält eines.

Weitere Kooperationspartner zu finden, das formuliert Reshef als eine der künftigen Herausforderungen für seine Uni. "Momentan müssen Studierwillige auf ein Stipendium warten." FürUnternehmen, so wirbt er, sei eine Kooperation nicht nur eine Chance, soziale Verantwortung wahrzunehmen, sondern auch eine, zu Mitarbeitern zu kommen. Denn Studierende absolvieren während ihrer Studienzeit Praktika in den Firmen.

Vorbildfunktion?

Eine weitere große Herausforderung: seine künftigen Studenten und Studentinnen zu erreichen – Reshef will die Studierendenzahlen im kommenden Jahr verdoppeln. Das Marketingbudget sei knapp bemessen; zudem seien herkömmliche Medien nicht unbedingt der beste Kanal, um die Zielgruppe zu erreichen. "Der Artikel in der 'New York Times' spricht sie nicht an." Besser funktioniere Mundpropaganda. Auch Facebook ist eine wichtige Plattform, rund 1,2 Millionen Fans hat die UoPeople dort bereits.

Im Jahr 2025 bekämen mehrere Millionen Menschen, die einen Studienplatz suchen, keinen mehr, prognostiziert Reshef. Er glaubt, dass traditionelle Hochschulen sich ein Beispiel an der UoPeople nehmen werden, nehmen müssten. "Online ist effektiv und passt viel besser zu der Kultur der Jungen. Und es kann die Kosten für Hochschulbildung drastisch reduzieren." (Lisa Breit, 6.4.2016)