Der Marktbericht von Europol spricht von einer Globalisierung des illegalen Drogenhandels.

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Brüssel/Wien – Der Markt für illegale Drogen umfasst in Europa jährlich rund 24 Milliarden Euro. Die Zahl der Konsumenten ist relativ stabil, die Versorgung wird von international organisierter Kriminalität mit schnellem Reaktionsvermögen samt Korruption und Geldwäsche bewerkstelligt, geht aus einem neuen Bericht von Europol und Europäischer Drogenbeobachtungsstelle (EMCDDA) hervor, der am Dienstag in Brüssel veröffentlicht wurde.

"Der Bericht zeigt deutlich die Auswirkungen der Drogenmärkte, wie sie mit anderen kriminellen Aktivitäten in Verbindung stehen, eine Belastung für Regierungsbehörden darstellen und schwere Auswirkungen auf die legale Wirtschaftstätigkeit und die Makroökonomie abseits der Auswirkungen auf Nachbarschaft, Familien und Personen haben", schreiben EMCDDA-Direktor Alexis Goosdeel und Europol-Direktor Rob Wainwright im Vorwort.

Großteil handelt mit Cannabis

Insgesamt geht der Bericht für die EU im Jahr 2013 von einem Marktvolumen von 24 Milliarden Euro für illegale Drogen aus. Davon entfielen 38 Prozent (9,3 Milliarden Euro) auf Cannabis. Wegen des viel höheren Preises hatte der Heroinmarkt einen Anteil von 28 Prozent (6,8 Milliarden Euro), es folgten Kokain (24 Prozent, 5,67 Milliarden Euro), Amphetamine mit acht Prozent (1,8 Milliarden Euro) und Ecstasy mit einem Anteil von drei Prozent (700 Millionen Euro).

Seit Jahren beschreiben die Berichte der Drogenbeobachtungsstelle stabile Verhältnisse, was die Konsumenten illegaler Drogen angeht. Dafür schreitet die Globalisierung auf den Märkten voran. "Es ist jetzt eine übliche Situation, dass die organisierte Kriminalität auf den Drogenmärkten aktiv ist, sich bei den verschiedensten illegalen Substanzen engagiert und auch in anderen Kriminalitätsformen tätig ist, um Allianzen über ethnische und geografische Grenzen hinweg zu knüpfen." Entlang der Kette von Produktion bis zum Verkauf der Drogen würden zunehmend Expertise und Mittel geteilt. Der Bericht spricht von einer Globalisierung des Drogenhandels. Herstellung und Transport werden diversifiziert, Drogen via Containerschiffsverkehr seien eine direkte Konsequenz.

International gebe es einige Hinweise auf Verbindungen zwischen organisiertem Verbrechen mit Drogengeschäften und Terrororganisationen, schreiben die Experten. In Europa sei das bisher aber nicht der Fall, weil die Terroraktivitäten zunehmend fragmentiert und entweder durch kleine "Zellen" oder "Einsame Wölfe" ausgeführt würden. Andere Finanzierungsquellen als Drogen seien hier dominanter.

22 Millionen Europäer konsumierten 2015 Cannabis

Mehr als 80 Millionen erwachsene Europäer haben bereits Cannabis genutzt, mehr als 22 Millionen im vergangenen Jahr. "Etwa ein Prozent der Erwachsenen in Europa verwendet es fast täglich, was die größten Bedenken bezüglich der damit verbundenen Gesundheits- und Sozialprobleme verursacht", heißt es in dem Bericht.

Der Markt wird zunehmend durch in Europa indoor gezüchtete Hanfpflanzen dominiert. Das Harz hingegen kommt weiterhin vor allem aus Marokko und ist immer höher mit dem psychoaktiven Inhaltsstoff THC konzentriert. Der Trend bei den Polizeianzeigen deutet nach oben.

Heroinmarkt schrumpft in Europa

Beim prinzipiell gefährlicheren Heroin schrumpft offenbar der Markt in Europa. "Insgesamt deuten die vorhandenen Indikatoren auf einen Rückgang des Bedarfs an dieser Droge im vergangenen Jahrzehnt hin", schreiben die Experten. In einzelnen Ländern und Regionen gebe es allerdings auch beunruhigende Trends. Die Opiat-Ersatzmittel Methadon und Buprenorphin hätten sich ebenfalls auf dem illegalen Markt etabliert. Für die Verwendung von Buprenorphin hatte man vor Jahren gerade im österreichischen Gesundheitsministerium mit dessen mangelnder Eignung für eine illegale Verwendung im Vergleich zu lang wirksamen und oral einzunehmenden Morphinen argumentiert. Hinzu kommt laut den Fachleuten, dass zunehmend hoch wirksame synthetische Opiate wie Fentanyl (sehr wirksames Schmerzmittel aus der medizinischen Praxis) abgezweigt würden. 2014 gingen in diesem Bereich in Europa die Anzeigen zurück.

Letzteres ist in Europa auch bei Kokain der Fall. "Indikatoren für den Bedarf deuten auf einen generell stabilen bis ein wenig reduzierten Gebrauch hin." Trotzdem wurden international allein 2013 rund 690 Tonnen Kokain beschlagnahmt. Die Produktionsmenge dürfte 700 Millionen Tonnen betragen, vor allem aus Kolumbien, Peru und Bolivien. Während die Transportwege früher Richtung Spanien, Portugal und Westeuropa verliefen, scheint sich über Afrika und den arabischen Raum ein weiterer Schmuggelweg aufzutun.

Dynamischer Amphetamin-Markt

Viel dynamischer ist offenbar der Markt für Stimulanzien wie Amphetamin, MDMA (Ecstasy) und Metamphetamin. Deren Konsumenten würden sehr schnell von einer Substanz zur anderen wechseln, je nach Erhältlichkeit, Preis und Qualität. Hier kommt auch Österreich in dem Bericht vor – allerdings, weil hier Tschechien der offenbare Urheber ist. "Trotz der geringen Bedeutung in anderen Weltregionen war der signifikante Metamphetamin-Gebrauch in Europa vor allem auf Tschechien und die Slowakei beschränkt." Dort werden viele Substanzen in illegalen Labors produziert. Der Konsum gelange aber auf niedrigem Niveau auch in angrenzende Länder wie Österreich, Deutschland und Polen.

Keine Verlangsamung bei neuen psychoaktiven Substanzen

Bei den neuen psychoaktiven Substanzen gibt es "keine Zeichen einer Verlangsamung bei der Zahl der Stoffe, ihren Typen und der Erhältlichkeit", heißt es zu diesen synthetischen Drogen, die unter den verschiedensten Bezeichnungen gehandelt werden. Cathinone und Cannabis-ähnliche Stoffe gehören dazu. Sie sollen zum Teil Amphetamine, Ecstasy und Kokain "legal" ersetzen. 2015 wurden rund hundert neue Substanzen registriert, die EMCDDA hat mehr als 560 in Beobachtung.

Ein Kennzeichen dieser Szene ist der Internethandel und die Herstellung im Fernen Osten. Beides habe es China erlaubt, Großhändler für neue chemische und pharmazeutische Substanzen zu werden, heißt es in dem Bericht. Der Ferntransport per Container schafft neue Vertriebsmöglichkeiten. "Der Containerverkehr hat sich in Rotterdam zwischen 1990 und 2014 von ehemals 7,4 Millionen Containern auf mehr als 20.000 pro Tag um den Faktor sieben erhöht", heißt es in dem Bericht. Dabei können auch leicht illegale Drogen sein. (APA, 5.4.2016)