Verwandtschaftslinien zwischen Kärntnerlied und Dadaismus zu erkunden ist ein Ziel der "Lindwum-Evue" des Klagenfurter Ensembles.


Foto: Günter Jagoutz

Klagenfurt – Man kann einer Gesellschaft nicht besser dienen, als dass man sie anregt, ihre Sinnstiftung zu prüfen. Wer könnte ausschließen, dass nicht schon die Logik unserer Grammatik uns nichts Vernünftiges mehr denken lässt?

Kurt Schwitters hat in seiner Ursonate die Sprachentwicklung nicht zufällig auf null zurückgestellt. Mitten im Ersten Weltkrieg, als sich Politik, Militär und leider auch die Wissenschaft so billig in den Dienst der Kriegshetze stellten, wurde scheinbare Sinnlosigkeit durchaus verstanden: als Provokation.

Und wenn wir unsere jetzige Lage betrachten, die aberwitzigen Mechanismen der Wirtschaft, die Kriegsherren von heute, ist es gar nicht so verwunderlich, dass eine per Frischzellenkultur verheutigte Dada- Revue des Klagenfurter Ensembles ihre Besucher schon wieder in ein wundersames, urpoetisches Delirium zu versetzen vermag.

Hereinplatzender Elvis

Als zwei sehr wohlgeformte, ungeahnte Höhepunkte der Weiblichkeit versprühen Johanna Weber und Lisa-Maria Sommerfeld, gekleidet in die phänomenal unwahrscheinlichen Kostüme der Kärntner Künstlerin Caroline, nicht nur Limonade über die Bühne, sondern auch den wohl authentisch sinnlichen Dampf des Cabaret Voltaire. Ihre bewusst maßlos exaltierten Lieder (etwa nach Emmy Hennings) prallen frontal auf das urige Gebrüll und Getrommel von Michael Kuglitsch und Oliver Vollmann. Die halten es eher mit einer Ursonate, die jede Anna Blume der Gegenwart aus der Reserve lockt.

Dazwischen Gernot Piff als hereinplatzender Elvis Presley und Gerhard Lehner als schnulziger Wörthersee-Kapitän. Denn, so die Hypothese der Inszenierung von Josef Maria Krasonovsky alias Pepe Gonzales: Durch seine Reduktion auf bloße, gänzlich sinnentleerte Lautmalerei ist es eigentlich das Kärntnerlied, das den Dadaismus historisch begründet hat.

Die Botschaft: In Zeiten eines ziemlich abgebrannten Lindwurms wollen die Darsteller, alle eine sprühende Wunderkerze zwischen die Gesäßbacken geklemmt, nichts als artig dem Dadaismus zum 100. Geburtstag gratulieren. (Michael Cerha, 4.4.2016)