Lesbos/Ankara – Nach der Rückführung der ersten Migranten aus Griechenland in die Türkei stellen Flüchtlinge auf Lesbos nun offenbar massenhaft Asylanträge, um ihre Abschiebung hinauszuzögern. Das sagte am Montagmorgen die Chefin der für Migration zuständigen Abteilung der griechischen Polizei, Zacharoula Tsirigoti.

Von nun an gelte es, Asylanträge zu bearbeiten, bevor weitere Migranten in die Türkei zurückgeschickt werden könnten. Aus Kreisen der europäischen Grenzschutzagentur Frontex auf Lesbos hieß es, wegen der Antragsflut sei es nun umso wichtiger, dass zügig Asylexperten aus anderen europäischen Ländern nach Griechenland entsandt würden.

Erste Rückführung

Am Montagmorgen waren auf der Grundlage des Flüchtlingspakts der EU mit der Türkei die ersten 202 Menschen von den griechischen Inseln Lesbos und Chios zurück in die Türkei geschickt worden. Nach griechischen Angaben handelte es sich fast ausschließlich um Migranten aus Pakistan und nordafrikanischen Staaten, die keinen Anspruch auf Asyl hätten. Lediglich zwei Syrer seien darunter gewesen; sie hätten sich freiwillig gemeldet, weil sie aus familiären Gründen zurück nach Syrien wollten.

Die Sprecherin des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR, Melissa Fleming, mahnte im SWR, jeder Einzelne müsse angehört werden und die Chance bekommen, einen Asylantrag zu stellen, sonst dürfe er nicht zurück in die Türkei gebracht werden. Es mangele aber "dramatisch" an Personal, um die Fälle zu bearbeiten, beklagte Fleming. Die Bedingungen seien folglich nicht so, dass Menschen bereits in die Türkei zurückgeführt werden könnten.

Nach Berechnung der Nachrichtenagentur AFP sollen insgesamt rund 6.000 Flüchtlinge aus Griechenland abgeschoben werden – laut der griechischen Nachrichtenagentur ANA allein bis Mittwoch 750. Die Türkei baut derzeit Aufnahmelager an der Küste gegenüber von Lesbos und Chios auf sowie ein größeres Flüchtlingslager im Inland. Die EU schickte zur Unterstützung der Aktion Experten und Sicherheitskräfte. Allein Frankreich entsandte 200 Polizisten.

Unmenschlichtkeit

"Das ist ein rechtswidriger Akt der Unmenschlichkeit. Auf Kosten der Schutzbedürftigen wird ein rechtswidriges Exempel statuiert", erklärte dagegen der Geschäftsführer von Pro Asyl, Günter Burkhardt. "In Griechenland existiert kein rechtsstaatliches Asylverfahren. Die Türkei ist kein sicherer Drittstaat, der Flüchtlinge schützt. Das sind Massenabschiebungen, bei denen der Rechtsstaat außer Kraft gesetzt wird." (APA, 4.4.2016)