Eigentlich geht es bei Kyungah Hams "Chandeliers for Five Cities" (2016) um Korea. Die Arbeit taugt auch als Metapher für den Messebetrieb.

Foto: Kukje Gallery, Tina Kim Gallery, Ham Kyungah

Auf der Art Basel Hongkong seit Bestehen vertreten: die Wiener Galerie Krinzinger. Neben Nitsch, Abramovic und Meese zeigt man Installationen des Chinesen Zhang Ding.


Foto: Galerie Krinzinger, Art Basel

Zwei Hallen, so groß wie Fußballstadien, bis an den Rand gefüllt mit Kunst. Was heute Sammler, Spekulanten, Anleger und Schaulustige aus über 70 Ländern an einen einzigen Ort lockt, war in den 1960er-Jahren – als in Köln mit 18 Ausstellern die erste Kunstmesse gegründet wurde – undenkbar. Kunstverkauf nach Industriemaßstäben? Niemals! Unwürdig!

Wenn schon, so dachte man damals, seien Messen möglichst klein, exklusiv und durchaus national zu halten, um sich keine auswärtige Konkurrenz ins Land zu holen. Gekommen ist es freilich anders. Weltweit geht die Zahl internationaler Kunstmessen in die Hunderte, nur wenige können dabei qualitativ mithalten.

Zu einer der größten Messegesellschaften wurde die Art Basel hochgezogen. Sie operiert mit ihren Shows in Basel, Miami und Hongkong mittlerweile auf drei Kontinenten. 90 Galerien aus zehn Ländern nahmen bei der ersten Ausgabe im Jahr 1970 teil. Heute sind es allein in Hongkong 239 Galerien aus 35 Ländern, ausgewählt aus über 600 Bewerbern.

Zu sehen im Hong Kong Convention and Exhibition Center: Kunst von der Moderne bis in die Gegenwart, qualitativ hochwertiger als bei früheren Shows, aber marktgängig und durchwegs leicht verdaulich. Das buchstäbliche "Kratzen an der Oberfläche" kann als stilistische Klammer durchgehen. Auffällig viele Galerien haben Malerei im Programm, bei der das Spiel mit Leinwand und Farbauftrag im Zentrum steht: pastos, reliefartig, vornehmlich schwarzweiß. Entsprechend hoch im Kurs stehen Lucio Fontanas Schnitt- und Stichbilder, die Künstlergruppe Zero der 1960er-Jahre sowie deren Ausläufer bis in die Gegenwart.

Fotografie und Multimediakunst ist rar gesät, dafür gibt es Lego, Glitzer und jede Menge Tiere im Skulpturenpark: Schafe, Spinnen, Hasen, Rehe. Auch zum Stillen narzisstischer Bedürfnisse kann so eine Messe dienlich sein: Hier posiert ein Künstler zur Verdoppelung des Ichs für die iPhone-Fotografen vor dem Selbstporträt, dort gerät die VIP-Absperrung um den Stand eines Kunstmagazins wegen mangelnden Andrangs zum grotesken Fetisch.

Diskurs für zwischendurch

All der Kommerz will natürlich diskursiv durchbrochen sein, zum Beispiel durch Talkgäste wie Tracey Emin oder Simon Denny. Auch mit eigens für die Show kuratierten Installationen ("Encounters") will man sich zwischen den Schauräumen kritisch geben. Thematisiert wird Kolonialismus (Brook Andrew), die (wirtschafts)politische Öffnung Chinas (Chen Zhen) oder allgegenwärtige Müllprobleme (Tintin Wulia).

Isa Genzken hält mit ihrer Arbeit Schauspieler (2014-2015) den Messebesuchern einen Spiegel vor. Abstrus ge- und entkleidete Schaufensterpuppen persiflieren den Bohemien des 21. Jahrhunderts, der auf Kunstmessen schon einmal kurze über langen Hosen trägt. Geradezu ikonisch ist die Arbeit Chandeliers for Five Cities (2016) der südkoreanischen Künstlerin Kyungah Ham. Ihre in Nordkorea gefertigten Stickereien, die schwankende und herabgestürzte Luxusluster zeigen, können als Metapher auf die gesamte Kunstmesse gesehen werden: Von den zeitgleich stattfindenden Debatten über wirtschaftliche Probleme Chinas ist in den Verkaufshallen nämlich wenig zu spüren. Noch hält die Verankerung.

"Wir können nicht klagen", heißt es am Stand der Galerie Krinzinger, die auf der Messe seit ihrer Gründung vertreten ist. Der Kundenstamm habe sich heuer sehr stark vom europäischen hin zum asiatischen Käufer verschoben. Über genaue Zahlen schweigt man aber. Rosemarie Schwarzwälder (Galerie nächst St. Stephan) hat Arbeiten von 7800 Euro bis 137.000 Euro im Verkauf. Europäern wie Nitsch, Brandl, Meese oder Abramovic stellen die Galerien chinesische Positionen (Zhang Ding, Ying Miao) gegenüber – verkaufen lasse sich beides gleich gut, heißt es.

Hsinke Lee, Direktorin der aufstrebenden Pekinger Galerie Long March Space, lobt die gestiegene Kooperation zwischen Künstlern, Galeristen und den Messen in Asien. "Die Art Basel bringt uns auch Leute für zeitgleich stattfindende andere Projekte". Der Verkauf sei diesmal zwar eher schleppend angelaufen, das liege aber an der stärkeren Präsenz von Großsammlern. "Und die überlegen länger", so Lee.

Fünf Millionenverkäufe wurden bekanntgegeben. Den mit Abstand größten davon konnte die Cardi Gallery aus Mailand verkünden: 10 Millionen US-Dollar ist einem europäischen Sammler ein Bild von Cy Twombly wert. (Stefan Weiss, Album, 3.4.2016)