Richard Lugner mit Gattin Cathy: Wenig Ahnung von Politik darf nicht vor Auftritten schützen.

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Der STANDARD-Blog zur Präsidentenwahl stellt die Meinungsumfragen auf den Kopf. Ein Bericht über jenen Kandidaten, der als krasser Außenseiter gehandelt wird, provozierte bisher die meisten Zugriffe und Postings. Kollegen mögen mich deshalb der Quotengeilheit bezichtigen – aber auch diese Kolumne kommt an Richard Lugner nicht vorbei.

Lugners Auftritt an dieser Stelle rechtfertigt sich damit, dass ihm ein solcher von einem anderen Medium verwehrt wird. Der Baumeister und Shoppingcenterchef darf nicht an den TV-Duellen im ORF teilnehmen. Fair ist das nicht.

Natürlich: Geht es allein nach der politischen Substanz, die Lugner zu bieten hat, dann sollte er lieber heute als morgen aus allen Fernsehstudios verbannt werden – ein Witz wird ja nicht besser, wenn man ihn immer wieder von Neuem erzählt. Aber der ORF hat bei der Nationalratswahl 2013 nun einmal einen Präzedenzfall geschaffen: Frank Stronach durfte sich hemmungslos durch Zweierkonfrontationen radebrechen. Warum dann nicht auch Lugner?

Brüder im Geiste

Stronach und Lugner sind Brüder im Geiste, sie teilen nicht nur das fast schon biblische Alter von 83 Jahren: Beide werben mit der Selfmademan-Masche, haben wenig Ahnung von Politik, kaum mehr Humor, sind aber unfreiwillig komisch. Als Unternehmer spielte der Austrokanadier zweifellos in einer höheren Klasse, seine Story versprüht einen Hauch von weiter Welt statt nur den Charme von Rudolfsheim-Fünfhaus. Doch vor laufender Kamera brachte Stronach deshalb nicht mehr unfallfrei formulierte Gedankengänge zusammen als Lugner – eher im Gegenteil. Und im Gegensatz zum ergrauten Ex-Industriellen, der seine Allmachtsfantasien von der Fußballliga bis zur eigenen Partei durchzusetzen versuchte, beweist Lugner zumindest etwas Bodenhaftung, wenn er in Interviews sagt: "Ich bin ja kein Politiker."

Stronach gelang es seinerzeit zwar schon vor der Nationalratswahl, ein paar Überläufer im Parlament anzuwerben, doch eine gerechte Begründung für eine Besserstellung ist das nicht – denn einem Präsidentschaftskandidaten fehlt diese Option ja. Lugner gebührt Gleichbehandlung, nicht nur im Vergleich zu Stronach. Denn wenn, wie der ORF argumentiert, die realen Aussichten auf die Stichwahl entscheidendes Kriterium für die Besetzung der Duelle waren: Warum darf dann Andreas Khol antreten? (Gerald John, 2.4.2016)