Wenn ein Supermodel der Neunziger Jahre ein Buch herausbringt, dann muss das schon was hermachen. Naomi Campbell, die es 1988 als das erste schwarze Model auf ein Cover der französischen Vogue schaffte, hat in der Mode Geschichte geschrieben.
Zumindest die aufwendige Aufmachung des Buchs enttäuscht nicht: Dieses Buch ist mehr als ein simples Druckwerk, herausgekommen ist ein Sammlerstück aus dem Verlag Taschen, das zum stolzen Preis von 1500 Euro zu haben ist. Campbells Kompendium steckt in einem skulpturalen Schuber von Allen Jones und kommt als opulenter Wälzer daher: Der Model-Oberkörper, in violettes Acryl gegossen, kann bei Bedarf auch an die Wand gehängt werden. Innen geht es offenherzig weiter. Das Cover macht mit einem Nacktporträt der Fotografen Mert Atlas und Marcus Piggott auf.
Band 1 der Sammleredition blättert Campbells illustres Portfolio auf und wartet mit Superlativen auf: Ein Star-Fotograf gibt hier auf 496 Seiten dem nächsten die Klinke in die Hand. Peter Lindbergh, Bruce Weber, Steven Meisel, Ellen von Unwerth, Herb Ritts, Patrick Demarchelier, Richard Avedon, Mario Testino, Willy Vanderperre: Dieses Hochglanz-Bilderbuch lebt vom Miteinander der großen, großteils männlichen Fotografen-Namen und ihres Models.
Spannender, weil überraschender, ist da schon Band zwei, der auf 368 Seiten einen ausführlichen autobiografischen Text des Topmodels enthält und mit Magazin-Titeln und persönlichen Schnappschüssen aufgemacht ist. Campbell, die lange vor dem Modeln mit dem Tanzen begann, als Teenager Gothic-Klamotten trug und schon mit 16 Peter Lindbergh Modell stand, das ist die Geschichte hinter den Hochglanzbildern – ein Stück weit zumindest.
Sie erinnert an eine Zeit vor Instagram, als Portraits noch mit der Polaroid-Kamera geschossen und beschriftet wurden, als Campbell in New York mit "Steven, Linda, Christy" Susanne Bartschs Drag Partys besuchte, als Karl Lagerfeld sich noch keine Sorgen um sein Gewicht machte und mit seinem Fächer posierte. Bei dem britischen Model wird alles, sogar ein Treffen mit Fidel Castro zur schnell erzählten, wolkigen Anekdote. Cambells Buch ist eben ein weiteres Model-Buch, nicht mehr und nicht weniger. (red, 4.4.2016)