Bild nicht mehr verfügbar.

Marcel Koller ist nach den beiden Tests gar nicht so ratlos.

Foto: reuters/föger

Wien – Marc Janko hat am Mittwochvormittag auf dem Platz des Wiener Sportklubs ein Fußballtraining mit 32 unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen absolviert. Es war sein erster Auftritt als Botschafter der Laureus-Stiftung "Sport for Good". "Ich weiß aus eigener Erfahrung: Der Sport kann Berührungsängste abbauen", sagte Janko. "Integration bedarf viel Arbeit. Es ist ein erster Schritt in die richtige Richtung." Auch Fußballer hätten eine gesellschaftliche Verantwortung. "Das ist noch wichtiger als Fußball, weil es viel zu viele Probleme auf dieser Welt gibt. Tatenlos zusehen, das funktioniert einfach nicht."

Am Dienstagabend war der 32-Jährige im Happel-Stadion an der 1:2-Niederlage gegen die Türkei nur teilbeteiligt, Janko hat zunächst zugesehen, wurde erst im Laufe der zweiten Halbzeit eingewechselt. Marcel Koller wollte sich Rubin Okotie anschauen. Der Teamchef resümierte am Tag danach die Partie, eigentlich waren es Partien, das 2:1 gegen Albanien gehörte dazu. Vorweg: Österreich wird eher nicht Europameister, Koller hat Gegenteiliges nie behauptet: "Wir werden nicht durch die Euro marschieren. Das hat wenig mit Zurückhaltung zu tun. Wenn die Leute glauben, wir kommen ins Halbfinale, war das 1:2 gegen die Türkei hervorragend. Als Sportler, der immer gewinnen will, hat es mich geärgert."

Kein Geschrei

Grundsätzlich sei er aber mit dem Paket zufrieden gewesen. "Gegen Albanien wurde vor der Pause gut kombiniert, gegen die Türkei klappte die Rückwärtsbewegung, defensiv sind wir stark gewesen. Wir haben keine Torchance zugelassen. Und trotzdem verloren. Lieber jetzt, als in Frankreich." Der Fußball neigt zu Perversionen, der erste Gegentreffer resultierte aus einem Freistoß, der zweite aus einem haarsträubenden Fehlpass von Goalie Ramazan Özcan. Der war geknickt. Koller geht davon aus, "dass er über diese Szene hinwegkommt." Konsequenzen werde es keine geben, abgesehen davon ist Robert Almer die Nummer eins. "Würden wir Spieler nach Fehlern bestrafen, wären wir nie dort, wo wir sind. Stürmer vergeben Chancen. Das Geschrei ist halt nicht so laut."

Nicht zu leugnen ist ein gewisses Gefälle im Kader. Okotie ist kein Janko, Guido Burgstaller kein Martin Harnik, auch Julian Baumgartlinger wurde vermisst. Koller wusste das. "Wer hat schon 23 gleichwertige Spieler im Kader?" Mit der Zahl 15 konnte der Schweizer leben, zumindest hat er sie nicht korrigiert. "Wir müssen das mit Teamgeist wettmachen."

Marko Arnautovic zählt längst zu den Unersetzlichen, er glaubt an keine Folgeschäden: "Hätten die Türken uns kaputt gespielt, müssten wir uns Gedanken machen. Aber so bleibt das Selbstbewusstsein." Koller wird sich in den nächsten Wochen über die EM-Gegner Ungarn, Portugal und Island schlaumachen, es werden Videos zusammengeschnitten, das Material ist im Laptop bereits gespeichert. Er wird Ligapartien der Legionäre besuchen, ihnen Feedback geben. "Ich hoffe, sie bleiben fit und in Form."

Das mäßige Faninteresse in Wien (28.600 Albanien, 26.700 Türkei) hat Koller nur mäßig tangiert. "Ich kann die Leute ja nicht ins Stadion prügeln." Während des Lehrgangs wurden die offiziellen Fotos gemacht, Sponsoren zufrieden gestellt, die Prämien ausverhandelt. "Jetzt ist Ruhe." Am 22. Mai beginnt das Trainingslager in Laax. "Es geht dort darum, den Kopf klar zu bekommen." Am 31. Mai wird in Klagenfurt gegen Malta getestet, am 4. Juni in Wien gegen die Niederlande. Koller: "Danach sollten wir bereit sein." (Christian Hackl, 30.3.2016)