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In den USA demonstrierten über Jahre hinweg die Mitarbeiter von Fast-Food-Ketten für höhere Mindestlöhne. In Kalifornien soll der Mindestbezug nun steigen, zumindest bis zum Jahr 2022 auf 15 Dollar je Stunde. (Archivbild: Demonstration von Fastfood-Ketten-Mitarbeitern im Jahr 2013.)

Foto: AP/Ben Margot

Kalifornien versucht bei der Mindestbezahlung von Arbeitnehmern einen Weltrekord: Bis 2022 soll der Mindestlohn in dem US-Bundesstaat auf 15 Dollar (13,45 Euro) angehoben werden, schon 2017 soll niemand weniger als 10,50 Dollar verdienen – das sind 50 US-Cent mehr als bisher. In den USA fordert kein anderer Bundesstaat derzeit einen höheren Mindestlohn. Die 15 Dollar wären auch der höchste Mindestlohn weltweit – aber bis der kommt, dauert es noch sechs Jahre.

Auch andernorts werden Mindestbezüge ausbezahlt, wie es scheint, mit Erfolg. Als Anfang des vergangenen Jahres in Deutschland ein Mindestlohn eingeführt wurde, hatte man vorher, währenddessen und danach den Teufel an die Wand gemalt. Der Mindestlohn werde Arbeitsplätze kosten, kleinere Unternehmen würden pleitegehen, weil sie sich die höheren Löhne nicht leisten könnten. Nach einem Jahr deutschen Mindestlohns ist kaum etwas davon eingetroffen, genauere Urteile über die positiven und negativen Effekte wird man erst in einigen Jahen fällen können.

Wer sich das Experiment Mindestlohn auf einer längeren Zeitachse ansehen möchte, muss nur nach Großbritannien schauen. Auch dort waren die Ängste groß, die Horrorszenarien bunt und vielfältig. Ende der 1990er-Jahre wurde der "minimum wage" dennoch eingeführt, die negativen Effekte sind überschaubar bis nicht vorhanden. Mit Stichtag Freitag erhöht die Low Wage Commission den Mindestlohn für Personen über 25 Jahren auf 7,20 Pfund (9,17 Euro) pro Stunde. Bis zum Jahr 2020 soll der Stundenlohn auf neun Pfund (11,46 Euro) steigen.

Wie hoch ist gut

Früher sei der Mindestlohn oft verteufelt worden, weil er einen starken Eingriff in den Markt darstellt, sagt Thomas Leoni, der sich beim Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) mit dem Thema beschäftigt. Die Gretchenfrage heute sei, wie hoch der Mindestlohn im Vergleich zum übrigen Lohnniveau sein darf. In Großbritannien habe man ihn von Anfang an recht hoch angesetzt, die Effekte seien dennoch positiv gewesen, erklärt Leoni im Gespräch mit dem STANDARD.

Lange war man davon ausgegangen, dass Mindestlöhne dem Arbeitsmarkt schaden und Arbeitsplätze verlorengehen. Ersten Studien zufolge, die sich mit dem deutschen Beispiel auseinandersetzen, gibt es vor allem eine Tendenz zu mehr Vollzeitbeschäftigung, dafür sind vermehrt sogenannte Minijobs weggefallen. In Österreich würde man von geringfügiger Beschäftigung bis zu 416 Euro sprechen, in Deutschland werfen diese Jobs maximal 450 Euro im Monat ab. Die Erfahrungen aus Großbritannien und Deutschland lassen mittlerweile auch einen differenziertere Betrachtungsweise in der Ökonomie zu, der Mindestlohn gilt nicht mehr nur als Gottseibeiuns der Volkswirtschaft.

Überraschung

Die positiven Effekte kommen daher für manchen Ökonomen durchaus überraschend. Zum Beispiel für Alan Manning, Professor an der London School of Economics. Gegenüber der "Financial Times" meinte er, es habe ihn erstaunt, dass sich die stetige Anhebung des Mindestlohns nicht negativ auf den britischen Arbeitsmarkt ausgewirkt habe. Die Frage sei jedoch, wann sich der Effekt umkehre und ein Mindestlohn zu hoch angesetzt wird – den Punkt könne er aber derzeit nicht festmachen.

Wenn es um die Armutsbekämpfung geht, sei der Mindestlohn jedenfalls kein sehr treffsicheres Instrument, sagt Wirtschaftsforscher Leoni. Man könne damit aber die Spreizung der Löhne eindämmen. (Daniela Rom, 31.3.2016)