Ed Caesar: Zwei Stunden. Vom Traum, den Marathon zu laufen.
19,95 Euro, 256 Seiten
Benevento, Wals bei Salzburg

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Kann der Mensch einen Marathon in unter zwei Stunden laufen? Und wenn ja, wann?

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Keine Frage: Wer einen Marathon läuft, verlangt seinem Körper alles ab. Über Weltbestzeiten, die auf den 42,195 Kilometern gelaufen werden, macht man sich dabei als Hobbyläufer wohl eher weniger Gedanken. Spannend kann das aber dennoch sein, wie der Londoner Journalist Ed Caesar mit seinem Buch "Zwei Stunden. Vom Traum, den Marathon zu laufen" beweist. Der Marathon-Weltrekord liegt bei 2:02:57. Er wurde vom Kenianer Dennis Kipruto Kimetto 2014 beim Berlin-Marathon aufgestellt.

Aber wieviel Steigerung ist bei solchen Spitzenzeiten für den menschlichen Körper überhaupt noch möglich? Und wird die magische Grenze von zwei Stunden irgendwann fallen – oder haben jene Kritiker recht, die meinen, eine solche Zeit sei unmöglich?

16 Stunden Schlaf

Um diese Fragen zu beantworten, beleuchtet Caesar unterschiedliche Aspekte des Marathonlaufens. Er begleitet den Kenianer Geoffrey Mutai auf Trainingscamps in Kenia und zu den großen Marathons der Welt. Das Pensum der Weltelite – viele stammen aus dem Volk der Kalenjin, die genetische Vorteile haben sollen – lässt Hobbysportler vor Ehrfurcht erstarren: Hochleistungssportler wie Mutai laufen 200 Kilometer in der Woche und schlafen – skurrilerweise – bis zu 16 Stunden pro Tag. Für viele dieser Läufer sind Rekorde der einzige Weg aus der Armut.

Interessant ist auch die Entwicklung der Weltbestzeiten: 1908, bei den Olympischen Spielen in London, wurde die Marathon-Distanz noch in 2:55 Stunden gewonnen. Heute peilen schon ambitionierte Hobby-Sportler die Drei-Stunden-Marke an.

Auch Wissenschafter beschäftigen sich mit dem Marathonlaufen. Der Mediziner Mike Joyner zum Beispiel berechnete 1991, dass ein Mensch im bestmöglichen Fall einen Marathon in 1:57:58 laufen könnte. Seit den 1950er-Jahren wurde der Marathonweltrekord um mehr als 16 Minuten verbessert, seit den 80ern hat sich diese Kurve aber verflacht. Daraus folgert Joyner: Der erste Marathon unter zwei Stunden könnte 2022 gelaufen werden – oder, je nach Berechnungsmethode, auch erst im Jahr 2035.

Kleine Schritte

Es gibt aber auch Skeptiker wie den Sportwissenschafter Ross Tucker, der meint, dass Athleten schon jetzt an der Grenze zum Menschenmöglichen sind – und eine solche Entwicklung, sollte sie je eintreten, noch Generationen dauern wird.

Eine ähnliche Diskussion gab es vor Jahrzehnten, laut Caesar, auch zur Meile, die der Mensch angeblich nicht unter vier Minuten laufen kann – bis es der erste schaffte. Genau wie diese Mauer werde auch die 2-Stunden-Marke beim Marathon in den nächsten Jahren geknackt werden, ist sich Caesar sicher.

Aber das werde in kleinen Schritten geschehen: Denn so würden die Gehirne von Spitzensportlern funktionieren – es gehe immer nur darum, den aufgestellten Weltrekord um eine Sekunde zu unterbieten, und nicht um knapp drei Minuten.

Und um das aber irgendwann zu erreichen, wird an allen Schrauben gedreht: Caesar widmet sich daher auch einem Lieblingsthema der Läufer – dem idealen Schuhwerk – und dem idealen Untergrund für eine hohe Geschwindigkeit (laut einer Harvard-Studie aus dem Jahr 1977 ist das übrigens eine Bahn aus Holz mit einem Belag aus Polyurethan). Auch Doping bei Marathon-Läufern ist Thema.

Frauen fehlen

Leider spart Caesar aber das Thema Frauen im Marathonlauf weitgehend aus – denn auch sie sind heute so schnell wie nie zuvor. Dabei wäre das ein interessanter Aspekt gewesen: Der Weltrekord bei den Frauen wurde nämlich nicht von einer Kenianerin, sondern von einer Britin aufgestellt. Paula Radcliffe beendete 2003 den London-Marathon in 2:15:25 Stunden. (zof, 26.4.2016)