Pakistanische Christen trauern über dem Sarg eines Opfers des Selbstmordanschlages vom 27. März.

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Ermittler am Anschlagsort, dem Gulshan-e-Iqbal-Park, in Lahore.

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Islamabad/Dubai – Der Selbstmordattentäter hatte sich mit zynischem Kalkül platziert – am Haupteingang, nur wenige Meter entfernt von einem Spielplatz mit bunten Schaukeln und Karussellen. Es war früher Abend und Lahores populärer Gulshan-e-Iqbal-Park voller Familien, viele davon Christen, die den Ostersonntag mit einem Picknick feierten. Doch in Sekunden verwandeln die 20 Kilogramm Sprengstoff die fröhliche Szenerie in ein grausiges Schlachtfeld. Augenzeugen berichten von Blutlachen, von abgerissenen Körperteilen. Mindestens 72 Menschen wurden getötet, darunter 35 Kinder. Mehr als 230 Menschen wurden verletzt.

Als Täter wird ein 28-jähriger muslimischer Religionslehrer aus dem Süd-Punjab verdächtigt, dessen Ausweis man vor Ort fand. Die Talibangruppe Jamaat-ul-Ahrar, eine besonders skrupellose Fraktion der pakistanischen Taliban, bekannte sich zu dem Blutbad. "Wir haben das Attentat begangen, weil Christen unser Ziel sind", sagte ein Sprecher. Man plane weitere Anschläge, auch auf Schulen.

Kampf gegen den Terror

Die Regierung rief eine dreitägige Trauerzeit aus. Premier Nawaz Sharif schwor, man werde erst ruhen, wenn der Terrorismus besiegt sei. "Wir werden den Kampf vor die Türen der Terroristen tragen. So Gott will, werden wir sie ausradieren." Das Militär nahm noch am Montag eine Reihe von Verdächtigen fest. Zugleich wurde in Pakistan Kritik an der mangelnden Sicherheit laut. Die Regierung hätte wissen müssen, dass Pakistans 2,5 Millionen Christen zu Ostern besonders gefährdet seien, und den Schutz erhöhen müssen. Bereits im März 2015 wurden 17 Christen bei einem Doppelanschlag auf zwei Kirchen in Lahore getötet. 2013 starben in Peschawar mehr als 100 Gläubige bei einer Attacke auf eine Kirche.

In Pakistan tobt ein blutiger Kampf um die Zukunft der 190 Millionen Einwohner zählenden Atommacht. Seitdem im Dezember 2014 bei einem Angriff auf eine Schule in Peschawar mehr als 136 Kinder getötet wurden, führt das Militär einen aggressiven Feldzug gegen die Taliban in den Grenzprovinzen. Der Konflikt weitete sich aus, nachdem am 29. Februar dieses Jahres der Attentäter Mumtaz Qadri hingerichtet worden war.

Wandel durch Qadri

Qadris Hinrichtung sehen viele als Zeitenwende, als Signal, dass Pakistans Führung nicht länger vor den religiösen Hardlinern im Volk kuschen, sondern die Machtprobe wagen will. Der Polizist Qadri hatte Anfang 2011 den liberalen Gouverneur Salman Taseer mit 28 Schüssen ermordet, weil dieser Pakistans mittelalterliches Blasphemiegesetz kritisiert und sich für die wegen Blasphemie zum Tode verurteilte Christin Asia Bibi eingesetzt hatte.

Und das könnte das Land in eine Zerreißprobe stürzen: Selbst bei seinem Begräbnis wurde Qadri noch wie ein Held gefeiert. Tausende Menschen gaben ihm das letzte Geleit – und Unruhen dauern weiterhin an. Am Sonntag kam es in Islamabad zu Straßenschlachten zwischen Soldaten und Qadri-Anhängern.

Auch am Montag protestierten in Islamabads "Roter Zone", in der Parlament und Regierung liegen, tausende Muslime. Sie fordern, Qadri zum "Märtyrer" zu erklären und alle wegen Blasphemie verurteilten Häftlinge zu hängen. Das würde auch Asia Bibi treffen. (Christine Möllhoff, 28.3.2016)