Istanbul – Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat Diplomaten scharf kritisiert, weil sie einen Prozess gegen zwei prominente Journalisten besucht haben. Das entspreche nicht dem diplomatischen Protokoll, sagte Erdogan am Samstag bei einem Treffen von Geschäftsleuten in Istanbul.
Beim Prozessauftakt gegen den Chefredakteur der oppositionsnahen Zeitung "Cumhuriyet", Can Dündar, und den Leiter des Redaktionsbüros in Ankara, Erdem Gül, am Freitag seien Generalkonsule anwesend gewesen. "Wer seid Ihr? Was habt Ihr da zu suchen?", sagte Erdogan. "Diplomatie unterliegt einem gewissen Anstand und Umgangsformen. Das ist nicht Euer Land. Das ist die Türkei." Innerhalb des Konsulats könnten sie sich frei bewegen. Alles andere bedürfe einer Genehmigung.
Das Verfahren gegen die beiden Journalisten wegen Spionage hat im Ausland für viel Aufmerksamkeit und Kritik gesorgt. Ihnen drohen lebenslange Haftstrafen. Das Blatt hatte im vergangenen Mai berichtet, der türkische Geheimdienst habe bei der Lieferung von Waffen nach Syrien geholfen. Erdogan hatte dies als rufschädigend für die Türkei bezeichnet. Dündar werde dafür einen hohen Preis bezahlen.
Unter Ausschluss der Öffentlichkeit
Der Präsident ist Nebenkläger in dem Prozess, das Gericht gab dem entsprechenden Antrag der Staatsanwaltschaft zu Verhandlungsbeginn statt. Es entschied zudem, dass der Prozess unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden soll. Neben Oppositionellen und Journalisten war am Freitag auch etwa ein halbes Dutzend Diplomaten vor Ort, hauptsächlich aus Europa. Nachdem sich Oppositionspolitiker weigerten, den Gerichtssaal zu verlassen, wurde der Prozess auf den 1. April vertagt.
Dündar und Gül haben wegen der Vorwürfe bereits 92 Tage im Gefängnis gesessen, die meiste Zeit in Einzelhaft. Auf Anordnung des obersten Gerichts wurden sie Ende Februar jedoch wieder freigelassen. In einem Interview kurz vor Prozessbeginn hielt Dündar an seiner Einschätzung fest: "Der Staat wurde bei einer Straftat erwischt und tut nun alles, um es zu vertuschen." Bei ihm und Gül handle es sich nicht um Beschuldigte, sondern um Zeugen. (APA, 26.3.2016)