Peter Gridling: "Es gibt gewisse Berührungsängste und Vorsicht, was man einer Polizeibehörde mitteilen kann."

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Wien –Der Direktor des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), Peter Gridling, ist skeptisch, was eine stärkere Vernetzung der Geheimdienste betrifft. Nachrichtendienste seien konzipiert, um nationale Interessen zu vertreten, erklärte er am Samstag im Ö1-"Journal zu Gast". Anschläge in Österreich schloss Gridling nicht aus.

Der BVT-Chef erklärte, dass Nachrichtendienste zwar zusammenarbeiten und Informationen austauschen, sie fürchten jedoch, dass ihre Quellen in Gefahr sind, wenn ihre Informationen verwendet werden: "Daher gibt es gewisse Berührungsängste und Vorsicht, was man einer Polizeibehörde mitteilen kann." Die europäischen Minister hätten nun ein "Signal" für die Weiterentwicklung gesetzt. Diesen Wünschen würden die Dienste entsprechen. Er verwies jedoch auf die unterschiedlichen Strukturen und Zuständigkeiten, diese Unterschiede bei den Diensten gelte es zu berücksichtigen.

Tendenzen zu Parallelgesellschaften

Eine Prognose, dass Anschläge hierzulande nicht verübt werden, kann Gridling nicht geben: "Man muss damit rechnen, dass sowas auch in Österreich passieren kann." Im Moment steige die Terrorismusgefahr an und in Europa könne sich niemand in Sicherheit wiegen. Die Sicherheitsbehörden müssen wachsam sein und jeder Verdachtslage nachgehen, so Gridling.

Die Vorwürfe gegen die belgischen Behörden wollte Gridling nicht kommentieren, denn eine Ferndiagnose sei schwierig. Absolut rechtsfreie Räume gebe es seiner Einschätzung nach in Österreich nicht. In gewissen Bereichen seien jedoch Tendenzen in Richtung Parallelgesellschaft zu beobachten, nannte er etwa den Großraum Wien.

Derzeit werde eine mögliche Verbindung der in Salzburg inhaftierten Jihadisten zu den Attentätern in Brüssel bzw. Paris geprüft: Diese Verbindung sei Gegenstand von Ermittlungen der Salzburger Sicherheitsbehörden. Es sei davon auszugehen, dass diese Personen schon früher in Richtung Belgien und Frankreich reisen hätten sollen. Durch das Eingreifen der griechischen Behörden dürften sie ihr Zielgebiet aber nicht rechtzeitig erreicht haben.

Unerkannt reisen

Gridling räumte ein, dass die große Flüchtlingsbewegung im Vorjahr ein "ideales Umfeld" gewesen sei, um unerkannt zu reisen. Die Sicherheitsbehörden haben diese Bedrohung immer ernst genommen, erklärte er. In vielen Fällen habe sich der Verdacht nicht bestätigt, in einzelnen jedoch zu weiteren Ermittlungen geführt.

Ob es auch in Österreich vorstellbar wäre, dass sich jemand, den die Behörden bereits verfolgen, monatelang versteckt hält, sei schwierig zu beantworten. Es könne aber "durchaus sein", Kontrollen auszuweichen und unbemerkt zu existieren. Dies sei "nichts spezifisch Belgisches", sagte Gridling.

Augenmerk gilt Rückkehrern

Das Augenmerk der Behörde gelte den Rückkehrern aus dem Jihad. Diese – laut Innenministerium rund 80 Personen – müssen damit rechnen, dass sie die Polizei als konkrete Gefahr sieht. Die Rückkehrer versuche man bestmöglich zu beobachten, dies könne jedoch "nicht immer lückenlos gelingen", so Gridling. Er verwies auf die "nicht unerhebliche Anzahl" von Muslimen in Österreich, von denen die überwiegende Mehrheit aber nichts mit jihadistischem Gedankengut zu tun habe. Bei manchen falle diese Ideologie aber auf fruchtbaren Boden.

Es sei durchaus auch möglich, unbemerkt in einem Haushalt eine Bombe zu bauen, gebe es die hierfür nötigen Chemikalien doch in Baumärkten, erklärte der Direktor auf eine entsprechende Frage. Wenn es hingegen Strukturen gebe, sei die Wahrscheinlichkeit höher, dass diese auffallen.

Auch Österreich auf Liste mit IS-Kämpfern

Zu einer Liste mit Daten von 22.000 IS-Kämpfern, über die vor kurzem in Medien berichtet wurde, bestätigte der BVT-Chef, dass sich auch Österreicher darauf finden. Insgesamt enthalte die bereinigte Liste aber rund 5.000 Einträge, darunter eben auch welche mit Bezug auf Österreich. Diesen Hinweisen gehe man nach, so Gridling. Viele Informationen in diesen Daten seien jedoch "sehr vage".

Das neue Staatsschutzgesetz in Österreich lobte Gridling. Dieses sei "ein wichtiger Schritt", denn damit werde Klarheit geschaffen.

Mikl-Leitner für stärkere Grenzkontrollen

Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) fordert gegenüber der Tageszeitung "Österreich" (Sonntagsausgabe) verschärfte Maßnahmen an den EU-Außengrenzen, um die Rückkehr von europäischen Jihad-Kämpfern in den Schengen-Raum zu unterbinden. "Wir wissen, dass mehr als 5.000 nach Syrien und in den Irak gefahren sind, um sich ausbilden zu lassen oder gar zu kämpfen. Es ist daher dringender denn je, dass in Zukunft auch EU-Bürger an den Außengrenzen systematisch kontrolliert werden", sagte die Innenministerin. (APA, 26.3.2016)