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Clemens Auersperg (24), möglicherweise Österreichs erster Sieger im Boat Race auf der Themse.

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Wien – William Hill gibt Clemens Auersperg recht – der Achter der Uni Cambridge ist am Ostersonntag leichter Favorit, wenn es im 162. Boat Race auf der Themse gegen den Achter von Oxford geht, der zuletzt dreimal en suite triumphierte. Der Wettanbieter zahlt für 100 Pfund Einsatz rund 160 Pfund, sollten die "Hellblauen" mit Auersperg nach den vier Meilen und 374 Yards (6779 Meter) von Putney flussaufwärts nach Mortlake die Dunkelblauen besiegen. Für einen Sieger Oxford bekommt man 225 für 100. In der Gesamtbilanz führt Cambridge bei einem toten Rennen mit 81:79.

Für den 24-jährigen Linzer Clemens Auersperg wird das Achterduell vor mehr als 350.000 Zusehern unabhängig vom Ausgang eine unbezahlbare Erfahrung. Und eine einmalige. Er beendet am Sonntag eine Karriere als Regattenruderer, die erst vor zehn Jahren begann. Da wurde der tatsächlich große Passivsportler von einem Trainer des Vereins Wiking Linz in der Schule entdeckt.

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Cambridge 1 (vorne mit Clemens Auersperg am vierten Riemen) hatte in Cambridge 2 stets einen ehrgeizigen Trainingspartner.
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Das Rudern sagte dem jungen Mann zu, der zwar gerne Sport betrieb, aber etwa im Fußball "immer einer der Letzten" war, "der in eine Mannschaft gewählt wurde". Das Rudern bot dem Musikliebhaber neben Naturerlebnissen eine besondere Befriedigung: "Man sieht die Früchte dessen, was man hineinsteckt." Der ohnehin gute Schüler Auersperg verlor nicht nur an Gewicht, sondern spielte sich in der Schule umso mehr, "als ich fitter wurde".

In der Folge zog sich das Rudern "wie ein roter Faden" durch seinen Werdegang. Bei Juniorenweltmeisterschaften fand er Kontakt zu einem Rudertrainer der Columbia University. Die Eliteanstalt in New York war Auerspergs Wahl: "In den USA ist das Studium mit dem Sport generell leichter vereinbar als in Österreich." Deshalb seiner Familie, der Vater ist Arzt, gleich gewaltigen Reichtum nachzusagen, ist verlockend, aber nicht zwingend. Clemens Auersperg hat drei studierende Geschwister und "mir wurden zwei Drittel der Gebühren bezahlt". Das Ruderteam der Columbia wollte den inzwischen 2,04 Meter großen Sportler wirklich unbedingt, "allerdings muss auch die akademische Eignung da sein".

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In noch viel höherem Ausmaß gilt das für Cambridge (oder auch Oxford), wo Studenten nicht des Sports wegen gefördert werden dürfen. Auersperg hatte Cambridge, die Traditionsanstalt nordöstlich von London, "immer im Hinterkopf", nicht aber Oxford, die Traditionsanstalt nordwestlich von London. Schließlich hat ihm ein langjähriger Freund von Wiking Linz, Alexander Leichter, vorgerudert, wie es in den legendären Cambridge-Achter zu schaffen ist. Leichter nahm im Vorjahr nicht nur als erster Österreicher am Boat Race teil, er war sogar Kapitän der Hellblauen und damit einer der Verlierer. Auersperg könnte als erster Österreicher siegen, weil er ein beinhartes Ausleseverfahren unter gut 50 Ruderern überstand.

Seit Anfang März stand fest, dass er im Ersten der beiden männlichen Cambridge-Achter sitzen wird. Die von Trainer Steve Trapmore, Achter-Olympiasieger von Sydney 2000, zusammengestellte Crew ist im Schnitt 1,92 Meter groß und 88,25 Kilogramm schwer, also etwas stattlicher als jene von Oxford (1,91 m, 86,78 kg), wobei der einzige Österreicher im Rennen zwar der größte, aber mit 90,4 Kilo nicht der schwerste von allen ist. Fast automatisch ergibt sich dennoch Auerspergs Position in der Bootsmitte als vierter Mann. Wie im Vorjahr Leichter schmückt er also quasi den Maschinenraum des von einem Steuermann auf Kurs gehaltenen Riemenboots. Dort geht es beim Boat Race rund 18 Minuten lang zur Sache. "Wir planen mit 35 bis 36 Schlägen pro Minute", sagt Auersperg. In den letzten Tagen vor dem Rennen nahm der Trainingsumfang selbstverständlich ab, in der Hochphase wurden pro Tag zweimal zwischen 18 und 24 Kilometer gerudert.

Der Sieg beim ersten Rennen 1829 ging an Oxford. Seit 1930 hat Cambridge im Kopf-an-Kopf-Rennen die Nase vorn. Mittlerweile steht es 81 zu 79 für Cambridge.

Rennhärte wurde schon im Winter bei Vergleichstests auf dem Ergometer erarbeitet, "da geht es eins gegen eins, es werden passende Paare zusammengestellt". Selbstvertrauen holte sich der Einsatzachter von Cambridge aus über die Boat-Race-Strecke gewonnenen Duellen gegen den deutschen U23-Achter ("Da hat natürlich die Distanz für uns gespielt") und das Boot der öffentlichen Oxford Brookes University. "Das gilt normalerweise als schnellster Achter auf der Themse", sagt Auersperg, der sich als Student der Wirtschaftsgeschichte der historischen Dimension eines Rennens, das seit dem Jahr 1829 ausgefahren wird, sehr bewusst ist. "Deshalb werde ich es aber auch nicht anders angehen."

Auersperg, der im Vierer ohne Steuermann die Quali für Olympia verpasst hat, wird nach dem Höhepunkt seines Sportlerlebens und dem Abschluss in Cambridge nach Wien zurückkehren, um in einem internationalen Unternehmensberatungsunternehmen zu arbeiten. Wetten darauf, dass er seinen Weg nicht macht, würde selbst William Hill verweigern. (Sigi Lützow, 26.3.2016)

Die Strecke auf der Themse führt flussaufwärts. Sie ist 6779 Meter lang. Der Start befindet sich 129 Meter flussaufwärts der Putney Bridge, das Ziel 112 Meter flussabwärts der Chiswick Bridge.