"Die Worte fallen wie Hammerschläge in seine Bühnenbilder": Dramolett-Meister Antonio Fian.

Foto: Corn

Am kommenden Montag feiert – so er denn feiert überhaupt – Antonio Fian seinen 60. Geburtstag. Welch schöner Zufall also, dass der Droschl-Verlag zeitgerecht den sechsten Band der Fian'schen Perlen hat erscheinen lassen, die unter der Genrebezeichnung "Dramolett" regelmäßig den Wochenend-Standard schmücken mit allerlei hinterfotzigem Tiefsinn, der nicht selten dem Unsinn des vordergründigen Sinnzusammenhanges eine Art eigentlichen Sinn verleiht.

Oder jedenfalls ein herzzerreißendes Sinnbild, das sich wie ein Zauber beispielsweise übers leere, auch sinnleere Klagenfurter Strandbad legt. Das Flair der Beachvolleyball-Kultur mit ihren Blöd- und Schönheiten breitet sich dann über den verlassenen See wie erkalteter Rauch oder noch Schlimmeres in einer frühmorgendlichen Bar. Der Dichter, sein Leser namens Immanuel und ihr gemeinsamer Jammer übers österreichische Schicksal: "Späte Reie// Heit kenntn am Treppchen gonz obn stehn / mia zwa, da Imme und i, / und kenntn auf olle hinunter sehn, / mia zwa, da Imme und i."

Antonio Fian erzählt gerne aus dem Strandbad am Wörthersee. Und das wohl nicht nur, weil er ein geborener Kärntner ist und die zwei ehemaligen Beachvolleyball-Nachwuchshoffnungen ein wahrhaft erbauliches Dialogpärchen sind. Zuweilen hat man den Eindruck, er wolle so und so ähnlich den Eindruck vermeiden, jener Aktualitätenschreiber zu sein, der er klarerweise schon auch ist.

Nicht ganz zu unrecht aber schreibt sein Verlag auf die Umschlagklappe: "Allmählich merken wir erst, was für ein die Jahrzehnte überspannendes Welttheater auf kleinstem (manchmal auch: provinziellstem) Raum dieser Autor uns schenkt, . . ." Immer wieder, ja, gelingt es Fian, den Punkt, auf den er das Geschehen bringt, zur Pointe zu spitzen.

Aber nein, lustig ist er dabei nicht. Man haut sich nicht ab über ihn. Man schmunzelt. Und sei es über das Augenzwinkern, über das er sich augenzwinkernd auch hergemacht hat.

"DER AUTOR: ... Und doch diese Daseinsleichtigkeit, diese Grundheiterkeit! Ich beschreibe das eh in meinem neuen Roman, in dem Kapitel mit der Jüdin aus Chisinau, von der die ganze Familie von den Nazis ermordet worden ist und die später von den Russen zur Prostitution gezwungen wird.

DIE AUTORIN: Eh mit einem Augenzwinkern?

DER AUTOR: Sicher mit einem Augenzwinkern.

(Vorhang)"

Das heißt aber nicht, dass er nicht wüsste, wie lustig ginge.

"PALFRADER: Jetzt ich?

STIMME DES TONMEISTERS: Ich bitte darum.

PALFRADER: Wenn Kurz es schafft, alle Kärntner, die in Wien leben, zu integrieren, würde ich sagen: ,Hut ab.'

(Stille)

PALFRADER (aufgebracht) Was is', Trottel?!

STIMME DES TONMEISTERS: Pardon.

(Eingespieltes Lachen und Schenkelklopfen. Eingespielter Applaus. Verebbt.)

PALFRADER: Länger!

(Eingespielter Applaus länger. Verebbt. Stille)

STIMME DES TONMEISTERS: Herr Scheuba bitte."

Nicht bloß der Dialog schafft den gfeanzten Tiefsinn, auch das Ambiente. Kaum wer beherrscht die Kunst der Regieanweisung so auf dem Efef. In ein von Fian mit gekonntem Strich gemaltes Bühnenbild fallen dann die Worte – sagen wir: Sozialminister Hundstorfer – wie Hammerschläge. Wie zartbitteres Zephyrgesäusel dagegen das da:

"(Wien. Pausenhof eines humanistischen Gymnasiums. Zwei Schüler aus der Maturaklasse miteinander im Streit. Zwei Professorinnen für Latein und Altgriechisch sehen aus einiger Entfernung zu.)

ERSTER SCHÜLER: Oida, heast, waun du a anziges Moe no die Tanja bled austeigst, / stich i di o, und i schwea's da, i schneid da dein Beidl in Strafn!

ZWEITER SCHÜLER: Du? Loss mich lochn! A waumpata Fresser vo Kindermüchschnittn, / und wü mia drohen? Du scheißt die doch au bei die Weiwa, du Mongo!"

Weiter geht es so im epischen Versmaß bis hin zum bitteren Faustkampf. Eine altphilologische Professorin, hoch zufrieden: "Es ist doch ein ganz anderes Niveau, wenn an einer Schule wie der unsrigen zwei junge Männer um einer Jungfer rittern." Soweit also zur Bildungsdebatte.

Niessl und Münterlein

Auch zur Heeresdebatte – man erinnert sich, Norbert Darabos: In Stein gemeißelt! – unterlief ihm geläufig der Hexameter. Den er freilich nicht unbedingt braucht, um dem Alltag was Poetisches abzuringen. Da genügt – Münterlein I – III, das Grauen geht hoffentlich weiter – ein Muttertagsgedichtlein. Oder eine Rettungsgasse mit dem wutbürgerlichen Empörungspotential eines Roland Düringer. Oder eine Stronach-Pressesprecherin beim Interviewautorisieren. Oder ein Hans Niessl vorm Roulette-Tisch.

Man tut schon am jeweiligen Samstag sich selber nichts Gutes, den Antonio Fian bloß als Kommentar zum Zeitgeschehen zu lesen. Da würde man dem Zeitgeschehen ja zu viel der Ehre erweisen. Fian ist einer, der dem Aktuellen einen Hauch von Dauer verleiht. Wie sehr ihm das gelingt, lässt sich gut nachlesen. Und zwar hier:

Antonio Fian, Schwimmunterricht. Dramolette VI. EURO 19 / 160 Seiten. Droschl, Graz 2016

(Wolfgang Weisgram, Album, 25.3.2016)