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Valentino setzt ab sofort auf nachhaltigere Stoffe – wie hier bei der Herbst/Winter-Kollektion für 2016.

Foto: AP/Thibault Camus

Die italienische Modelandschaft verändert sich. Neue Werte gewinnen an Boden. Renommierte Modemaisons sind nicht nur auf der Suche nach Glamour. Auch Nachhaltigkeit hat inzwischen einen Stellenwert errungen. Verantwortungsvoller Umgang mit Ressourcen und der Verarbeitung von Textilien sollte gerade für Moderiesen ein wichtiges Thema sein. Doch die neuen Werte ziehen noch an vielen großen Designern vorbei. Das Designerhaus Valentino hat diesbezüglich seinen Betrag geleistet: Es befolgt den Greenpeace-Detox-Fahrplan für giftfreie Kleidungsproduktion, der bis 2020 sämtliche gefährliche Chemikalien aus der Produktion verbannen soll: Auch die Benetton-Gruppe befolgt die Detox-Regeln.

Italiens Aushängeschild für nachhaltige Modeunternehmen ist jedoch Brunello Cucinelli aus Solomeo in Mittelitalien. Er verfolgt das Nachhaltigkeitsprinzip bereits seit Jahren. Nicht nur was die Produktion betrifft. Der Anfang muss bereits bei der Arbeitsumwelt gesetzt werden, meint der Unternehmer-Philosoph zum STANDARD. "Ich bin überzeugt, wer in einem verbesserten Arbeitsumfeld arbeitet und in einer entsprechend nachhaltigen Umgebung lebt, ist kreativer, genialer und hat einen höheren Verantwortungssinn."

Lebensqualität für Angestellte

Für Cucinelli ist Nachhaltigkeit kein Modewort. Seit Jahren hat der Unternehmer von Nobelbekleidung höchsten Wert auf einen umweltfreundlichen Arbeitsplatz, auf geregelte Arbeitszeiten gelegt. Niemand darf bei Cucinelli nach 18 Uhr arbeiten. Ein ökologisches Umfeld, günstige Lebensbedingungen sind für ihn wichtiger als reines Profitstreben. So hat er das mittelalterliche Städtchen Solomeo (Umbrien) voll restaurieren lassen und Millionen investiert, um Sportplätze für die Jugend und einen Landschaftspark zu errichten. Das Unternehmen läuft mit einem im Vorjahr erzielten Rekordumsatz auf Hochtouren.

Kündigungen hat es seit Jahrzehnten nicht gegeben, und die jährlichen Produktionsprämien sind beachtlich. Der Unternehmer aus Perugia hat sogar eine eigene Schule eingerichtet, um das Handwerk zu erlernen. Etwa die Schneiderkunst, Nähen und Zuschneiden. Die "Schüler" verdienen bis zu 800 Euro monatlich.

Zweifellos ist Cucinelli im italienischen Modepanorama noch eine Rarität. Viele Modedesigner wie Prada, Chanel oder Armani haben bisher um Nachhaltigkeit einen großen Bogen gemacht. Ihre Kleidung setzt zwar modische Trends, doch die Produktion hinkt der aktuellen Ökoströmung hinterher.

Doch mit dem zunehmenden Erfolg von jungen italienischen Designern wie Massimo Giorgetti, Damir Doma, Stella Jean und Andrea Incontri erhält die Modeindustrie eine Verjüngungskur, die Nachhaltigkeit gewinnt an Stellenwert und Mailands Status quo eine grundlegende Veränderung. In einer Stadt, in der Erbe und altes Geld regieren, wird die junge kreative Szene erstmals von Nachhaltigkeit flankiert.

Erstmals wurden bei der Mailänder Modewoche, der wichtigsten Institution der italienischen Modewirtschaft, Richtlinien der Nachhaltigkeit veröffentlicht. Diese wurden in einer dreijährigen Arbeit gemeinsam vom Modefachverband (Sistema Moda Italia), Chemiefachverband (Federchimica), Verband der Luxushersteller (Altagamma) und vom Verband der gesundheitsbewussten Textilhersteller (Tessile e salute) elaboriert. Regierungschef Matteo Renzi hatte im Februar die Modemesse eröffnet und das Zehn-Punkte-Programm vorgestellt.

Die sogenannte Modewertkarte soll garantieren, dass die Hersteller den Bestimmungen gegen Schadstoffe – etwa beim Färben der Materialien oder beim Beschichten – nachkommen. In einer A-bis-E-Label-Bewertung der einzelnen Modemacher wird festgestellt, wie umweltfreundlich die eigenen Produkte hergestellt und gehandelt werden und ob sie nach Kriterien der Nachhaltigkeit empfehlenswert sind.

Seit 2015 findet in Mailand auch jährlich die Modeveranstaltung So Critical So Fashion statt. Drei Tage sind der "ethischen, aber auch schönen Mode" mittels Workshops und Ökokollektionen gewidmet. Die Ende September stattfindende Veranstaltung gibt einen Überblick über eine alternative und ökologisch nachhaltige Mode. (Thesy Kness-Bastaroli aus Mailand, 26.3.2016)