Bild nicht mehr verfügbar.

Selbst im Best-Case-Szenario würde die britische Wirtschaft nach einem Austritt aus der EU schrumpfen.

Foto: Reuters

London/Wien – Zeitsprung ins Jahr 2030: Großbritannien ist aus der EU ausgetreten. Aufgrund der entfallenden Einzahlungen ins EU-Budget war das Bruttoinlandsprodukt (BIP) zunächst um rund ein halbes Prozent gestiegen. Die Regierung hat restriktivere Migrationsgesetze erlassen, Verhandlungen über Handelsabkommen mit der EU gingen nur schleppend voran, Großbritannien ist nicht mehr Teil des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR).

Die nationale Wettbewerbsfähigkeit hat sich verschlechtert, der Handel ist zurückgegangen, ausländische Investitionen sind erlahmt. Das BIP sinkt um fast vier Prozent, verglichen mit dem potenziell erreichten BIP, wäre das Land in der EU.

So sieht das Worst-Case-Szenario einer am Dienstag in London präsentierten Studie des britischen Thinktanks Oxford Economics aus. Darin variieren in neun Brexit-Szenarien die Parameter Handel, Gesetzgebung, Migration und Fiskalpolitik nach dem EU-Austritt. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass dem Vereinigten Königreich ein Austritt jedenfalls teuer zu stehen käme.

"Falsche Ersparnis"

Zu Handelseinbußen kommt es in allen Brexit-Szenarien, im besten wie im schlechtesten Fall. In allen Szenarien sinken auch die Direktinvestitionen gemessen am Bruttoinlandsprodukt, bestenfalls um 0,2 Prozent, schlimmstenfalls um 6,9 Prozent.

Der sich anfangs positiv auswirkende Entfall von EU-Mitgliedsbeiträgen ist demnach eine "falsche Ersparnis", weil sie durch negative Auswirkungen wettgemacht würden.

Verglichen mit der Entwicklung bei einem Verbleib in der EU, gäbe es 2030 im besten Fall nur einen kleinen BIP-Rückgang von 0,1 Prozent und einen Anstieg der Unternehmensinvestitionen von 2,4 Milliarden Pfund (rund drei Milliarden Euro).

Scharfer Abschwung

Im schlimmsten Fall käme es zu einem BIP-Einbruch um 3,9 Prozent, die Investitionsbereitschaft der Firmen würde gewaltig schrumpfen, um 21,1 Milliarden Pfund, prognostizieren die Oxford-Ökonomen.

Dieser schlimmste Fall würde durch "populistische" Maßnahmen wie Migrationsrestriktionen herbeigeführt werden, warnt Oxford Economics. In Kombination mit einem Austritt aus dem Europäischen Wirtschaftsraum könnten die Briten auf dem Handelsstatus "meistbegünstigte Nation" gemäß Rangordnung der Welthandelsorganisation landen.

Zum Vergleich: Die auf Eigenständigkeit bedachten Schweizer sind auch nicht EWR-Mitglied.

Marktzugang und Migration wesentlich

Wiewohl die Worst-Case-Szenarien nicht "katastrophal" wären, der britischen Wirtschaft würden sie laut den Studienautoren dennoch "signifikanten, langfristigen" Schaden zufügen. Positive Folgen eines Austritts wären selbst im besten Fall sehr "limitiert", die Risiken und Möglichkeiten seien also "asymmetrisch". Um negative Folgen hintanzuhalten, wäre ein Arrangement notwendig, das einer EU-Mitgliedschaft in wesentlichen Punkten wie Marktzugang und Migration ähnlich ist.

Die Autoren Andrea Boltho, Ekkehard Ernst und John Muellbauer reihen sich damit in die lange Liste an Ökonomen und Wissenschaftern ein, die einen Brexit kritisch sehen. In einer Untersuchung prognostiziert PwC den Verlust von fast einer Million Arbeitsplätzen und rund 130 Milliarden Euro an Kosten im Fall eines EU-Austritts.

Druck, in der EU zu verbleiben, kommt auch von anderen EU-Mitgliedern. In Umfragen ist eine knappe Mehrheit der Briten für den EU-Austritt, abgestimmt wird am 23. Juni. (Elena Pramesberger, 23.3.2016)