Wien – "Sex, Drugs and Study Programs" lautet der Titel eines der Panels am 10. Forschungsforum der österreichischen Fachhochschulen, das kommende Woche an der FH des BFI Wien stattfindet. Die Arbeiten, die in dieser Session zum Thema "Studium und Leben im 21. Jahrhundert" präsentiert werden, beschäftigen sich mit der Diversität an Hochschulen und wie diese gelingen kann, mit der Frage, ob die Studienwahl ein Ausdruck der Persönlichkeit ist, oder mit einem Fallbeispiel zum Thema "Transsexualität und Stimme".
Andere Panels kreisen um lebenszyklusorientiertes Bauen, sozioökonomische Kapitalismusanalysen, gesundheitliche Chancengerechtigkeit oder emissionsarme Antriebssysteme. Insgesamt 28 Panels zu ausgewählten Themen, die im Rahmen von insgesamt 171 Präsentationen aus sehr unterschiedlichen Richtungen ausgeleuchtet werden, sollen die Relevanz interdisziplinärer und hochschulübergreifender Forschungsarbeit herausstreichen.
Die Bezogenheit auf einzelne Disziplinen, die bei Forschertreffen häufig zu finden ist, sei hier ausgehebelt, erklärt Andreas Breinbauer, Rektor der Fachhochschule des BFI Wien, die das zweitä- gige Forum gemeinsam mit der österreichischen Fachhochschulkonferenz (FHK) veranstaltet. "Wir bilden eine sehr breite Palette ab, in der die klassischen Disziplinen vollkommen aufgelöst sind." Zum "Brücken bauen", wie das Motto zum zehnten Geburtstag der jährlichen Veranstaltung lautet, gehört eine Selbstverortung der Fachhochschulen als Produzenten anwendungsorientierter Wissenschaft in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft und im Blickpunkt der Öffentlichkeit, international ausgerichtet und in Kooperation mit Universitäten und anderen tertiären Ausbildungsstätten.
Mit Interdisziplinarität und Brückenfunktion im Blickpunkt ließen sich die Organisatoren ein neuartiges Bewerbungssystem einfallen, das an die Stelle eines konventionellen "Call for Papers" in den klassischen Disziplinen trat. Bei dem zweistufigen Einreichverfahren konnten sich zuerst die Panel-Chairs gemeinsam mit Reviewern mit Themen bewerben, zu denen es dann in einem nächsten Schritt einen "Call for Papers" gab. Bei der Zusammenstellung der somit interdisziplinär und thematisch ausgeschriebenen Panels zählte neben wissenschaftlichen Parametern auch die "möglichst integrative Gestaltung".
Internationales Engagement
Die "Brücke zur Wirtschaft" ist schon in der Natur der Fachhochschulen als berufsorientierte Ausbildungs- und anwendungsorientierte Forschungsstätte angelegt. Die "Brücke zur Öffentlichkeit" spiegelt sich in der Offenheit und breitenwirksamen Aufbereitung der Themen, die am Forschungsforum selbst abzulesen sind und die die FHs von einer Vorstellung von Hochschulen als Elfenbeintürmen abgrenzen.
Die Schlagworte des "Brückenstandorts Österreich" und der "Brücke innerhalb des Hochschulsektors" heben die zunehmende Verwobenheit der Fachhochschulen in internationale, hochschulübergreifende Projekte etwa auf EU-Ebene hervor. Beim Forschungsforum ist man stolz auf eine Beteiligung von Wissenschaftern von 20 Universitäten und aus acht Ländern – von den USA bis Hongkong, von Kroatien bis Dänemark -, die etwa als Reviewer an der Auswahl der Papers beteiligt waren. Auch die Vortragenden selbst sind nicht durchgehend FH-Forscher.
"Das Verhältnis zu anderen Hochschulformen ist so gut wie nie", hebt auch Breinbauer hervor. "Die Tendenz, mit Universitäten zusammenzuarbeiten, hat sich verstärkt. Es gibt viele erfolgreiche Projekte, die zum Teil auch beim Forschungsforum präsentiert werden." Auch die Aufteilung zwischen FHs und Universitäten in anwendungsorientierte und Grundlagenforschung verschwimme zunehmend. "In den internationalen Konsortien der EU-Projekte sehe ich die strenge Trennung nicht mehr so stark", sagt der FH-Rektor.
Für Beispiele von Kooperationen zwischen FHs und Universitäten auf internationaler Ebene verweist Breinbauer auf die FH des BFI Wien, die er repräsentiert. Der Volkswirtschafter Johannes Jäger – er ist beim Forschungsforum auch mit einem Vortrag zu dem Thema "Kapitalistische Entwicklung und die Methode der Kritischen Politischen Ökonomie" vertreten – konnte sich gemeinsam mit Kollegen der Universitäten Liverpool und Leeds etwa bei einer britisch-brasilianischen Ausschreibung zu einem Projekt durchsetzen, das Politikempfehlungen zur zukünftigen Einbindung des brasilianischen Finanzsektors in das internationale Finanzsystem erarbeiten sollte.
Finanzstabilität Brasiliens
Gemeinsam mit Experten der Universität Rio de Janeiro wurden Politikempfehlungen formuliert, wobei sich die Wirtschaftsforscher in ihrem in diesem März präsentierten Abschlussbericht gegen eine riskante, generelle Internationalisierung der brasilianischen Währung aussprachen. Es werden hingegen Maßnahmen empfohlen, die eine stärkere regionale Verwendung der Währung vorantreiben, damit den regionalen Handel stärken und die Abhängigkeit vom US-Dollar schwächen.
Ein Panel zu einem selten anzutreffenden Thema verbirgt sich am Forschungsforum hinter dem schlichten Titel "Failure". Über ein Scheitern in der Forschung wird – trotz einer stärker werdenden Trial-and-Error-Kultur der Tech-Start-ups – nicht gerne gesprochen. Dabei liegt auf der Hand, dass Unternehmen erfolgreicher sind, je öfter sie scheitern, weil sie mehr ausprobieren, mehr Risiko in Kauf nehmen und letztendlich innovativer sind. Im Rahmen der Präsentationen werden auch gescheiterte Forschungsprojekte – etwa unter dem Titel "The Opening of Pandora's Box" zur Nutzung von Social Media bei einem Open-Innovation-Projekt – vorgestellt. Und es wird gezeigt, wie man daraus lernen kann. (Alois Pumhösel, 23.3.2016)