Brüssel/Wien – Die Nervosität war in Sicherheitskreisen zuletzt wieder gestiegen. Man sei in "einer extrem kritischen Phase", sagte ein Vertrauter des französischen Präsidenten François Hollande vergangene Woche zu Journalisten. "Wir haben Informationen über Leute. Sie bereiten Dinge vor. Sie befinden sich in Frankreich oder ganz in der Nähe."

Kurz zuvor hatten belgische und französische Spezialeinheiten in Brüssel einen bedeutenden Fund gemacht. Ein Apartment war verdächtig erschienen, weil es auf den gleichen Namen gemietet war wie eine Wohnung bei Charleroi, in der Teile der Anschläge von Paris geplant wurden. Weil Wasser und Strom schon lang abgeschaltet waren, vermuteten sie, auf eine leere Wohnung zu stoßen – stattdessen gab es massive Gegenwehr. Vier Polizisten wurden verletzt, ein Anhänger der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) erschossen. Der Mann wurde später als Mohamed B. identifiziert, ein Algerier, der am Tag der Paris-Anschläge Empfänger jener SMS gewesen sein soll, in der die Attentäter ihre Operationen ankündigten.

Am Freitag führten die DNA-Spuren aus der Wohnung dann zur Ergreifung eines der meistgesuchten Männer Europas: Salah Abdeslam, mutmaßlicher Mittäter der Anschläge von Paris. Es hatte offenbar die Terroristen zum Tatort gefahren, sein Bruder Brahim A. sprengte sich bei der Anschlagsserie in die Luft. Er selbst soll auch geplant haben, sich in die Luft zu sprengen, entschied sich aber offenbar dann dagegen.

Fieberhafte Suche

In die Erleichterung mischten sich neue Sorgen: Denn in den Wohnungen waren nicht nur schwere Waffen und Munition gefunden worden, sondern auch weitere Fingerabdrücke und DNA-Spuren.

Sie gehörten mindestens drei Männern, die ebenfalls seit den Anschlägen von Paris gesucht wurden. Unter ihnen Najim Laachraoui, dessen DNA auf zwei der in Paris eingesetzten Sprengwesten auftauchte und der am 17. November via Western Union Geld an den tags darauf getöteten mutmaßlichen Paris-Drahtzieher Abdelhamid A. geschickt haben soll – unter dem falschen Namen Soufiane Kayal. Laachraoui soll laut belgischen Medien jener Mann sein, dessen Bombe am Dienstag am Flughafen von Brüssel nicht explodierte, und der seither auf der Flucht ist.

Zudem waren auch Khalid B., sein Bruder Ibrahmin B. und Mohamed A. in der Wohnung. Khalid und Ibrahim B. sind jene beiden Männer, die sich am Flughafen Brüssel in die Luft gesprengt haben sollen. Beide hatten vor den Attentaten gemeinsam mit Abdeslam jene Autos gemietet, mit denen die Terroristen kurz darauf nach Paris aufbrachen.

Eine gemeinsame Spur zu Salah Abdeslam, Najim Laachraoui und Mohamed B. führt offenbar auch nach Österreich. B. und Laachraoui sollen jene beiden Männer gewesen sein, mit denen gemeinsam Abdeslam im September an der Raststation Aistersheim bei Grieskirchen kontrolliert wurde. Zuvor sollen die drei Männer laut Ermittlungsergebnissen in der Nähe des Ostbahnhofs in der ungarischen Hauptstadt Budapest geparkt haben. Dort hielten sich zu diesem Zeitpunkt zahlreiche Flüchtlinge auf, die auf eine Weiterreise in Richtung Westen warteten. Rund eine Woche später soll Abdeslam noch einmal Budapest besucht haben.

Fahrt auch nach Ulm

Eine andere Spur Abdeslams führt laut SWR auch ins deutsche Ulm. Eine Adresse in der baden-württembergischen Stadt fand sich im Navigationssystem eines Autos, das Abdeslam im Oktober gemietet hatte. Dort soll er nahe einer Flüchtlingsunterkunft geparkt haben. Drei Syrer, die sich zuvor dort aufgehalten hatten, gelten seit dem Besuch als vermisst. (mesc, 22.3.2016)