Auch wenn in Zusammenhang mit der Explosionsserie in Brüssel noch vieles unklar ist, eines steht fest: Die Angriffe haben mitten ins Herz Europas gezielt. Brüssel ist der Sitz der EU-Kommission, steht als Synonym für Europa und ist die europäische Hauptstadt. Wer Verkehrsknotenpunkte wie Flughäfen und U-Bahnhöfe ins Visier nimmt, will nicht bestimmte Personen treffen, sondern möglichst viele und eine ganze Stadt – und ein Land in Angst und Schrecken versetzen. Und weil es diesmal Brüssel war: die ganze EU.

Weitere Terrorzellen aktiv

Am späten Dienstagnachmittag hat sich die Terrormiliz IS zu den Anschlägen bekannt. Es könnte eine Reaktion auf die Verhaftung des mutmaßlichen Mittäters der Pariser Attentate, Salah Abdeslam, am vergangenen Freitag sein. Dies würde bedeuten, dass im Umfeld der Paris-Attentäter noch weitere Terrorzellen aktiv sind. Da ein solches Attentat nicht binnen weniger Tage vorbereitet werden kann, könnten weitere Anschläge folgen.

Das sind vorerst nur Spekulationen, aber allein dass die Attentatsserie geschehen konnte, zeigt die Hilflosigkeit der Behörden, die schon die Pariser Anschläge im November nicht verhindern konnten. Auch die in den vergangenen Monaten engere Kooperation zwischen den französischen und belgischen Behörden konnte die Explosionsserie nicht unterbinden.

Es kann jeden überall treffen

Da wie dort waren Menschen bei alltäglichen Tätigkeiten die Opfer: In Paris waren es Menschen bei ihren Freizeitaktivitäten, in Brüssel Menschen auf dem Weg zur Arbeit oder in den Urlaub. Das Signal, das damit gesetzt werden soll: Es kann jeden und jede überall treffen, es gibt keine absolute Sicherheit und keinen Schutz vor Terror. Wenn ein Selbstmordattentäter wie am Brüsseler Flughafen an einen öffentlich zugänglichen Ort wie die Schalterhalle stürmt, dann kann das nicht verhindert werden.

Es ist nicht möglich, Terror mit den Mitteln der Polizeiarbeit gänzlich zu unterbinden. Selbst eine massive Überwachung der Kommunikation wie in den USA konnte Anschläge wie jene auf den Boston-Marathon nicht verhindern.

Ziel: Europa zu verändern

Den Terroristen geht es darum, Europa zu verändern. Sie wollen die Gesellschaft spalten, Misstrauen säen. Mit den Anschlägen wollen islamistische Attentäter und ihre Drahtzieher erreichen, dass alle Muslime unter Generalverdacht stehen. Der Islam wird zum Feindbild, muslimische Mitbürger zu Verdächtigen. Solche Anschläge schüren Ressentiments, und auch der Rechtspopulismus nimmt zu. Je mehr Angst vor Muslimen herrscht, so das perfide Kalkül, desto mehr Ausgrenzung und Diskriminierung – und das wiederum treibt Organisationen wie der Terrormiliz IS Sympathisanten und Kämpfer zu.

Nicht nur in den Regionen im Nahen Osten, auch im Westen soll ein Gefühl der ständigen Bedrohung entstehen: kleine Anschläge, große Serien, an verschiedenen Orten, in verschiedenen Ländern, immer dichter, nie berechenbar, unterschiedliche Ziele. Wir werden uns als Bürger der westlichen Welt daran gewöhnen müssen, dass Terror zu unserem Alltag gehört. Damit umzugehen und eine Ausbreitung des Misstrauens zu verhindern, ist eine Herausforderung, die uns begleiten wird. Ob die Attentäter ihre Ziele erreichen, hängt auch davon ab, ob wir uns einschüchtern und uns unsere Freiheiten nehmen lassen. (Alexandra Föderl-Schmid, 22.3.2016)