NGOs kümmerten sich um die Flüchtlinge an der steirisch-slowenischen Grenze. Wer zahlt, darüber wird gestritten.

Foto: APA/Erwin Scheriau

Wien – Die Anrechnung der Spenden auf die Förderungen für Flüchtlingshilfe sorgt für Aufregung. Unterschiedliche Ansichten über die Kostenübernahme und Prüfung entzweien auch Finanz- und Innenressort. Hektische Betriebsamkeit herrschte am Montag im Finanz- und im Innenministerium beziehungsweise in den Kabinetten von Hans Jörg Schelling und Johanna Mikl-Leitner (beide ÖVP). Kaum war, per Ö1 und STANDARD, öffentlich geworden, dass die Ministerien die Förderungen für die Flüchtlingshilfe um deren Spendeneinnahmen reduzieren werden, fegte ein Sturm der Empörung über den Bund.

NGOs wie Politiker kritisierten das Vorhaben – auch der Flüchtlingskoordinator der Regierung, Christian Konrad (ÖVP), bemühte sich (vorerst vergeblich), das Vorhaben "aus der Welt zu schaffen", wie er dem STANDARD sagte. Im Finanzministerium versteht man die Aufregung nicht: Das Innenressort habe in dem Brief an die zwölf Hilfsorganisationen "lediglich erinnert, dass es einen Vertrag (Sonderrichtlinie; Anm.) gibt, der "oh Wunder, auch eingehalten werden muss". Der Staat könne "Bundesgelder nicht freihändig vergeben".

"Höchste Ethik"

Kurz zur Erinnerung: In der Sonderrichtlinie ist die Anrechenbarkeit der Spenden auf die Förderung fixiert. Allerdings hinterfragen auch Juristen, ob dieser Passus bei der Flüchtlingshilfe eine Berechtigung hat, hätten doch die Hilfsorganisationen die Arbeit des Staates übernommen. Der habe bei der Flüchtlingsversorgung "versagt", wie es der Chef des Fundraising Verbands Austria (FVA), Günther Lutschinger, ausdrückte. Auch diese Argumentation wischt eine Sprecherin des Finanzministers vom Tisch: Eine Förderung könne nie mehr als 100 Prozent betragen. Wenn es um Steuergeld gehe, müsse "die höchste Ethik gelten". Das Innenministerium (BMI) verantwortete sich wie am Wochenende: Der Brief sei aufgrund einer "erstmaligen Einwendung" des Finanzministeriums geschrieben worden.

Und genau da gab es am Montag Querelen zwischen den Ministerien beziehungsweise Kabinetten. Zunächst hieß es im Finanzministerium gegenüber Dritten, das Innenressort habe da etwas "missverstanden" – eine Linie, von der später wieder abgegangen wurde.

Spannungen

Tatsächlich gibt es zwischen Herrengasse (BMI) und Johannesgasse seit längerem gewisse Spannungen in der Frage der Finanzierung der Flüchtlingshilfe. Die Budgetsektion des Finanzressorts kritisierte Anfang des Jahres sinngemäß, dass das Innenministerium die Abrechnungen der NGOs zu 100 Prozent auszahlen lassen wollte – eben ohne Spendenabzug. Die Hilfsorganisationen hätten es seit September unterlassen, die nötigen Daten zu übermitteln.

Das Innenministerium solle die Hilfsorganisationen also daran erinnern, dies zu tun – oder selbst Schätzungen vornehmen und die Akontozahlungen um diese Summe reduzieren –, so ungefähr sah die Gemengelage aus. Zur Erklärung: Die Hilfsorganisationen geben immer am Fünften eines Monats ihre mit Kostenaufstellungen untermauerten "Förderansuchen" ab und bekommen dafür Akontozahlungen. Endgültig abgerechnet wird das Jahr 2015 dann vertragsgemäß spätestens im April.

Stichprobenartig geprüft

Zudem soll das Finanzministerium gewisse Probleme in der Kontrolle der Abrechnungen geortet haben. Angeblich hat es Plausibilitätsprüfungen durch das Innenministerium vermisst – und solche dann selbst stichprobenartig durchgeführt.

Und die sollen nicht zur Zufriedenheit des Finanzressorts ausgefallen sein. In diversen Kostenaufstellungen hätten die Prüfer im Konnex mit dem Förderzweck Unplausibles und Hinterfragungswürdiges gefunden, wird berichtet. Allerdings wird sowieso genau geprüft: Derzeit ist die Buchhaltungsagentur des Bundes dabei, jede (geplante) Förderung (beziehungsweise den Abrechnungsantrag) zu prüfen, wie offiziell bestätigt wird.

Das Finanzressort dürfte Anfang dieses Jahres jedenfalls auf die Kostenbremse gestiegen sein. Laut dortigen Beamten sollte sich die Entspannung der Lage bei den Transitflüchtlingen im Winter auch in sinkenden Kosten (Förderungen) abbilden. Nur das wirklich Notwendige solle noch unterstützt werden, forderten sie ihre Kollegen im Innenministerium dem Vernehmen nach auf.

Textkorrektur

Mitte Februar schrieb das Innenministerium dann den Brief an die NGOs; allerdings nicht, ohne vorher eine Korrektur vorgenommen zu haben. Im Entwurf des Schreibens wurde auf die Tatsache hingewiesen, dass das Finanzministerium Auslöser des Auftrags zur Spendenmeldung war – ein Hinweis, den das Kabinett Schelling aufgrund der Kompetenzverteilung nicht nötig fand. Im Brief an die NGOs kommt er dann jedenfalls nicht mehr vor.

Dass das Finanzministerium bei der Diskussion nun auch die Absetzbarkeit der Spenden in die Waagschale wirft (200 Millionen Euro wurden zuletzt abgesetzt), wird im Ministerium dementiert. Dort geht man davon aus, dass alles so kommt, wie in den Verträgen vereinbart. Die NGOs, so eine Vermutung im Ministerium, hätten die Aufregung nur erzeugt, um Druck für die anstehenden Vertragsverhandlungen zu machen. (Renate Graber, 22.3.2016)