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Besucher einer Chagall-Ausstellung im Kunsthaus Zürich im Jahr 2013: Für Leihgaben müsste das Museum in Zukunft zusätzlich bezahlen – oder auf diese verzichten.

Foto: epa/WALTER BIERI

Zürich/Wien – Von der internationalen Kunstbranche vorerst unbemerkt, bahnt sich in der Schweiz ein Problem für Museen an, das als Kostenfaktor Auswirkungen auf den Leihverkehr von Werken bildender und angewandter Kunst haben könnte. Das legt der Entwurf zur Novellierung des Urheberrechtsgesetzes nahe, konkret jener Artikel (URG, Art. 13), der das Verleihen von urheberrechtlich geschützten Werken behandelt.

Demnach soll, "wer Werkexemplare der Literatur und Kunst als Haupt oder Nebentätigkeit" verleiht, "dem Urheber oder der Urheberin" künftig "eine Vergütung" schulden. Entgegen der bisherigen Handhabung fiele beim unentgeltlichen Verleih eine Urheberrechtsabgabe an. In der geltenden Fassung des Schweizer "Bundesgesetz über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte" ist eine Vergütung nur beim entgeltlichen Verleih (Vermietung) vorgesehen. Davon ausgenommen sind "Werkexemplare der angewandten Kunst", Baukunst und solche, die für "eine vertraglich vereinbarte Nutzung von Urheberrechten vermietet oder ausgeliehen werden".

Abgabe für Verleihung

Laut Florian Schmidt-Gabain, Rechtsanwalt und Lehrbeauftragter für Kunstrecht an den Universitäten Basel und Zürich, hat der Bundesrat "mit der neuen Verleihtantieme die Bibliotheken im Visier". Den Erläuterungen zum Entwurf zufolge, erläuterte er jüngst in einem Gastkommentar in der "NZZ" ("Museen in Gefahr", 4. 3.), sollen sie für das Verleihen von Büchern eine Abgabe entrichten, um Autoren zu unterstützen, die seit dem Wegfall der Buchpreisbindung mit einer "weiteren Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation" zu kämpfen hätten.

Dem exakten Wortlaut nach fiele aber auch der Verleih von Kunstwerken unter die Abgabepflicht. Profitieren würden Kunstschaffende und deren Rechtsnachfolger bis 70 Jahre nach dem Tod des Künstlers. Jedoch hätte dies "eine massive Belastung des Leihverkehrs im Bereich der bildenden Kunst" zur Folge, ist Schmidt-Gabain überzeugt.

Betroffen wären hauptsächlich Museen, für die Leihgaben essenziell sind: sowohl punkto Dauerleihgaben, die längst integraler Bestandteil ständiger Sammlungen sind, als auch für die zeitlich befristete Dauer bei Sonderausstellungen. De jure hätten etwa Privatsammler als "Verleiher" die Abgabe zu entrichten, de facto würde dies jedoch auf die Kunstinstitutionen abgewälzt.

Drohende Qualitätseinbußen

Zum besseren Verständnis der drohenden Folgen verweist Schmidt-Gabain auf gängige Leihgabenquoten: Bei auf zeitgenössische Kunst spezialisierte Kunsthallen liegt diese bei 100 Prozent. Im Falle der ab Juni im Kunsthaus Zürich anberaumten Retrospektive zu Francis Picabia, "werden von den rund 130 gezeigten Werken etwa 100 Leihgaben sein".

Zusätzlich zu den bisherigen Kosten (u. a. Transport, Versicherung) würde der Ausstellungsbetrieb verteuert. Der Tarif müsste zwar erst von einer Verwertungsgesellschaft erlassen werden, sollte er sich am Wert des Kunstwerkes orientieren, würden Leihgaben trotz einer etwaigen Deckelung zu einer Kostenfalle. Damit droht eine Einschränkung des Leihverkehrs, die auch "inhaltliche" Qualitätseinbußen bei Ausstellungen zur Konsequenz haben könnte. Ob das im Sinne von lebenden Künstlern ist, bleibt fraglich.

Laut Schmidt-Gabain bezieht sich der Bundesrat im Entwurf, dessen Begutachtungsfrist am 31. März endet, auf die geltende EU-Richtlinie (2006/115/EG). Jedoch sei das für die Verleihtantiemen unzutreffend, vielmehr sei das Gegenteil der Fall: In der Richtlinie heißt es zum Vermiet- und Verleihrecht klar und deutlich, dass der Begriff "Verleihen" nicht "die Überlassung zu Ausstellungszwecken" umfassen soll. (Olga Kronsteiner, 22.3.2016)