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Gibt es kulinarisches Angebot in Shopping Malls, geben die Leute deutlich mehr Geld aus

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"Sie müssen ihren Mix verändern, vor allem wenn man Touristen will", rät Jonathan Doughty österreichischen Shoppingcentern-Betreibern.

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STANDARD: Quer durch Europa holen sich Einkaufscenter bei Ihnen Rat, wenn es ums Essen geht. Lässt es sich mit harten Zahlen belegen, dass ein voller Magen das Konsumverhalten beeinflusst?

Doughty: Ja, in der Tat. Es gibt zwei Währungen: Zeit und Geld. Wird Essen mit Shoppen verknüpft, erhöht das die Zeit, die in Einkaufscentern verbracht wird um 50 Prozent. In dieser zusätzlichen Zeit wird nicht nur getrunken und gegessen, sondern auch eingekauft.

STANDARD: Essen kann man nicht online. Ist die Gastronomie gar der Rettungsanker des in der Krise steckenden stationären Handels?

Doughty: Die Leute gehen dorthin, wo sie gutes Essen bekommen. Sie planen es als Teil ihres Besuchs in Einkaufscentern ein. Aber die Krise des stationären Handels überrascht mich nicht. Gut die Hälfte der Unternehmen verdient die Misere, in der sie stecken – denn sie haben nichts dazu getan, um ihre Lage zu verbessern. Sie bieten reine Transaktionen an: Ware gegen Geld. Kein Service, keine nette Atmosphäre, dafür höhere Preise, und heimtragen muss ich es auch noch. Die Gewinner sind jene, die Einkaufen zum Erlebnis machen. Da verliert der Preis an Gewicht.

STANDARD: Wie sieht denn ein gesunder Mix zwischen Einzelhändlern und Wirten aus?

Doughty: Zehn bis zwölf Prozent der Fläche in den Einkaufszentren sollten den Gastronomen gehören. In Österreich sind es unter zehn, teils nur vier bis fünf Prozent. 20 Prozent, von denen viele gern reden, sind aber unwahrscheinlich. Schon aus wirtschaftlichen Gründen: Die Gastronomie zahlt niedrigere Mieten als der Handel. Betreiber wollen ihnen daher nicht unbedingt mehr Platz überlassen.

STANDARD: Sie sprechen von Zeit als Währung. Wie viel lassen sich Kunden pro Minute ihr Essen kosten?

Doughty: In einem Café vier, fünf Euro pro Kunde in 20 Minuten. Bei Starbucks sind es etwa acht bis zehn Euro, bei Pastaketten wie Vapiano acht bis zwölf Euro in 45 bis 60 Minuten. 15 Euro sind es in der konventionellen Gastronomie für ein bisserl mehr als eine Stunde. Die Mathematik zeigt, warum Coffeeshops so gerne Coffeeshops sind: Ihre erzielbaren Euros pro Minute sind reichlich.

STANDARD: Auch im Vergleich zur gehobenen Gastronomie?

Doughty: Sie kommt etwa auf 150 Euro in drei Stunden, nur 50 in der Stunde. Das ist eine Herausforderung und harte Arbeit angesichts ihrer Mieten, der Ausstattung, des teuren Personals. In einem Coffeeshop reicht hingegen eine Person, die einen Knopf auf der Kaffeemaschine drückt.

STANDARD: Wer in Einkaufszentren blickt, sieht vor allem Einheitsbrei. Wollen das die Kunden wirklich?

Doughty: Im Handel sind 80 Prozent der Marken quer durch Einkaufszentren stets die gleichen. 80 Prozent! Das Gleiche gilt für Gastronomieketten. Aber das funktioniert nicht. Die Leute wollen Vielfalt – der größte Feind der Branche ist Langeweile. 60 bis 65 Prozent der Mieter müssen große internationale Marken sein; diese sind ja auch gute Zahler. Zehn bis 20 Prozent sollten aber nationale Spieler sein. Und für den Rest braucht es einzigartige, lokale Anbieter.

STANDARD: Ihr Eindruck von Österreichs Shoppingcentern?

Doughty: Sie müssen ihren Mix verändern, vor allem wenn man Touristen will. Ein Wandel passiert mittlerweile – aber immer noch zu langsam. Nehmen Sie Innsbruck: Urlauber sehen dort die völlig gleichen Marken wie in jeder anderen Stadt Europas auch. Da fragt man sich schon: Wo ist Innsbruck in Innsbruck? (Verena Kainrath, 19.3.2016)