Religionsfreiheit ist einer jener zentralen Werte, die auch den nach Österreich kommenden Flüchtlingen in eintägigen Kursen vermittelt werden.

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Wien – Ein Brandanschlag auf einen muslimischen Gebetsraum in Niederösterreich, Proteste über Halal-Fleisch im Supermarkt, die dazu führen, dass das Fleisch wieder aus dem Sortiment entfernt wurde: Zwei Vorfälle in Österreich, die symptomatisch für einen zunehmenden antimuslimischen Rassismus seien, sind Farid Hafez und Enes Bayrakli überzeugt.

Die Politologen wollten das bei vielen Muslimen präsente Gefühl, dass sich die allgemeine Stimmung gegenüber Muslimen in Europa aufgeheizt hat, durch konkrete Beispiele auf den Punkt bringen. Sie haben Politologen in 25 europäischen Staaten beauftragt, qualitative Berichte über die Lage der Islamophobie im jeweiligen Land zu erstellen – wobei sie betonen, dass nicht jede Kritik an Muslimen automatisch islamophob sei. Die Ergebnisse sind im "European Islamophobia Report" (EIR) gesammelt, der künftig jährlich erscheinen soll.

Islamophobie ohne Moslems

Ein Ergebnis: Die sogenannte Flüchtlingskrise habe antimuslimische Ressentiments angeheizt, aber nicht hervorgerufen: Schon zuvor war Islamophobie laut den Autoren selbst in Ländern mit winzigen muslimischen Populationen, etwa in Ungarn, Finnland oder Litauen, ein "erfolgreiches Werkzeug, um Menschen zu mobilisieren". Die Bevölkerung neige in Umfragen dazu, die Größe der muslimischen Community deutlich höher zu schätzen als sie ist. Moslems würden als gewaltbereit wahrgenommen, obwohl sie in Kriminalitätsstatistiken unterrepräsentiert seien.

In Ungarn sei diese Wahrnehmung historisch betrachtet ein eher junges Phänomen, Muslime seien dort bis Ende der Neunzigerjahre als gut integriert wahrgenommen worden. Nach den Anschlägen des 11. September 2001 habe sich jedoch eine Art "Islamophobie ohne Muslime" herausgebildet. Premierminister Victor Orbán habe die Tatsache, dass Ungarn zu den Haupttransitländern der Flüchtlinge aus Syrien, Irak und Afghanistan zählte, dafür genutzt, sich als Verteidiger einer vermeintlich bedrohten christlichen Nation zu stilisieren.

In Frankreich hätten die Charlie Hebdo-Anschläge zu einer Gleichsetzung von Islam und Terrorismus geführt. Allein im ersten Halbjahr 2015 habe die Zahl der körperlichen Übergriffe auf Muslime im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 500 Prozent zugenommen, Anschläge auf Moscheen seien um 400 Prozent gestiegen. Die Zahlen beruhen auf Aufzeichnungen der Rechtsberatungsorganisation CCIF. Dass Anfeindungen schon vor den Attentaten verbreitet waren, belege eine Studie des Politik-Think Tanks Institut Montaigne: Männliche Bewerber mit dem Namen Mohammed müssen demnach vier Mal so viele Bewerbungen abschicken wie Bewerber namens Michel, um zu einem Jobinterview eingeladen zu werden – bei gleicher (in der Versuchsanordnung libanesischer) Herkunft und identer Qualifikation. Auch in England sei ein "nachweislicher Anstieg an Islamophobie" zu konstatieren, der sich unter anderem in Protesten vor Moscheen und Moscheebauprojekten äußerte.

Kritik an Kindergarten-Debatte

Der Bericht wirft auch einen kritischen Blick auf die Debatte über Islamismus in islamischen Kindergärten in Österreich. Viel sei über den Vorbericht über Wiener Kindergärten diskutiert worden, wenig jedoch beispielsweise darüber, dass Betreibern islamischer Kindergärten aufgetragen worden sei, Weihnachten zu feiern, da dies der österreichischen Tradition entspräche. Der österreichische Lehrplan sehe dies aber gar nicht vor.

Als Beispiel für verbreitete antimuslimische Einstellungen in Österreich ziehen die Autoren unter anderem eine im April 2015 erschienenen Erhebung des Mauthausen Komitees heran: Ihr zufolge würden es 65 Prozent der Befragten problematisch finden, wenn ein Familienmitglied zum Islam konvertierte.

Der Bericht wolle nicht mit erhobenem Zeigefinger vorgehen, sondern der Politik Hilfestellungen geben, wie sie gegen antimuslimsche Tendenzen vorgehen könne, betonen die Herausgeber. Sie schlagen vor, Hetze auf Basis der Religonszugehörigkeit in allen europäischen Ländern strafbar zu machen. Die Benachteiligung Kopftuch tragender Frauen am Jobmarkt sollte problematisiert werden und in den Fokus arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen geraten, so die Empfehlung. (Maria Sterkl, DER STANDARD, 18.3.2016)