Diese Venus ist seit 2013 im Besitz des Fürsten von Liechtenstein und gilt als Werk von Lucas Cranach d. Ä. In Frankreich wurden nun Zweifel an der Echtheit des mit 1531 datierten Gemäldes laut.

Foto: Liechtenstein Collections / Vaduz

Bis vergangene Woche zierte die Cranach-Venus als Prestigeverkauf an die Sammlung des Fürsten Liechtenstein die auf der Website veröffentlichte Liste der "Notable Sales". Zwischenzeitlich wurde der Eintrag gelöscht (Screenshot vom 8.3.2016).

Screenshot: DER STANDARD / kron

Das Bild in "unberührtem" Zustand 2012. Laut Johann Kräftner, Leiter der fürstlichen Sammlungen, wurde das auf Eiche gemalte Werk vor dem Ankauf im Sommer 2013 in London restauriert.

Foto: Cranach-Net, Heidelberg

Einen knappen Monat vor Ende der Ausstellung im Caumont Centre d'Art (Aix-en-Provence, bis 28.3.), die Gemälde der Sammlung des Fürsten von Liechtenstein präsentiert, geschah, was niemand in der Kunstbranche und am wenigsten Johann Kräftner für möglich gehalten hätte. Ein Pariser Gericht ließ Lucas Cranachs mit 1531 datierte Venus beschlagnahmen, da laut einer anonymen Anzeige Zweifel an der Echtheit bestünden. Dass Fälschungen in Frankreich zerstört werden, sei erwähnt.

Vorweg: Selbstverständlich habe man Interesse an einer Klärung, wiewohl man von den Gutachten der beiden anerkannten Cranach-Experten überzeugt sei. Die Wildwestmanier ist es, die den Direktor der fürstlichen Sammlungen an der Vorgehensweise der französischen Behörden am meisten erzürnt.

Auch weil im Vorfeld nicht einmal der Versuch einer Kontaktaufnahme unternommen worden war. Und selbst für den unwahrscheinlichen Fall, dass sich die Zweifel an der Echtheit bestätigen würden, sei man bloß das Opfer.

Die Dokumente, die diese Zweifel belegen, kenne er bis heute nicht, sagt Kräftner, den man bei der Einvernahme bezüglich Cranachs Untermalungstechnik zu belehren versuchte.

Privatsammler alarmiert

Die Causa wirft eine Reihe von Fragen auf. Etwa, ob mit Privatbesitz von Staatsoberhäuptern generell so verfahren wird oder ein Emir von Katar doch auf Sonderbehandlung hoffen könnte. Privatsammler diskutieren die Risiken, die offenbar mit Leihgaben an französische Museen verbunden sind. Eine für den Ausstellungsbetrieb verheerende Konsequenz. Denn Privatleihgaben sind unverzichtbar, womit der Fall eine kulturpolitische Dimension von internationaler Tragweite erhält.

Warum ein Kunstwerk auf den bloßen Verdacht eines Anonymen hin, womöglich eine Fälschung zu sein, von Behörden überhaupt beschlagnahmt werden kann? Nun, "das Zivilgericht würde nie auf eine anonyme Anzeige eingehen", erklärt Peter Mosimann, denn dort gelte das Parteienprinzip, müssen die Parteien demnach bekannt sein.

Rechtliche Grundlage der Beschlagnahme

Der auf Urheber- und Kunstrecht spezialisierte Schweizer Rechtsanwalt, bis 2014 Lehrbeauftragter an der Universität Basel, tippt auf ein Strafverfahren. Die Beschlagnahme habe also eine Sicherungsfunktion, die letztlich helfen würde, gegen den vermeintlichen Fälscher vorzugehen. Pech für das Opfer und den Eigentümer.

Auf welcher rechtlichen Grundlage die Beschlagnahme erfolgte? Auf einem Strafverfahren, bestätigt einer der beiden Anwälte des Fürsten auf STANDARD-Anfrage. Im Zuge dessen ordnete Aude Buresi eine Untersuchung des Gemäldes an. "Der Fürst wird nicht als Beschuldigter geführt", betont Rémi Sermier.

Warum dann die von internationalen Juristen als übertrieben empfundene Aktion? Die Untersuchungsrichterin dürfte an der Kooperationsbereitschaft seines Mandanten gezweifelt haben, vermutet Sermier. Nachsatz: Der Cranach sei übrigens nicht das einzige Werk, das der Anzeige zufolge eine Fälschung sei.

Venus wird analysiert

2012 kam das in der Fachliteratur bis dahin unbekannte Bild auf den Markt. Dem Vernehmen nach war es auch dem Auktionshaus Christie's vorgelegt worden. Eine Pigmentanalyse später habe man eine Versteigerung abgelehnt, auch, weil partiell das erst seit dem 20. Jahrhundert existente Titanweiß nachweisbar war. Johann Kräftner bleibt gelassen.

Das auf Eiche gemalte Bild sei mehrfach restauriert worden, die Verwendung von Titanweiß für Retuschen seien die Norm. Ergänzend läge seit 2014 ein dendrochronologisches Gutachten vor, und diese Jahresring-Analyse bestätige den Datierungszeitraum.

2013 hatte man den Cranach beim Kunsthändler Bernheimer-Colnaghi (London, München) erworben. Und wie erwähnt liegen Gutachten der Experten Dieter Koepplin und Bodo Brinkmann (beide Basel) vor. Sie irren, ist Michael Hofbauer überzeugt.

Der Leiter des Cranach Research Institute in Heidelberg glaubt an eine Fälschung und nennt einen Namen: Christian Goller, ein Restaurator aus Niederbayern, der sich auf Cranach spezialisiert hat. Dafür würden einige Merkmale sprechen.

"Schattenpartien aufgemalt"

Erkennbar sei die Fälschung etwa am Craquelé, das "keinerlei Bezug auf die Holztafel nimmt", die Altersrisse der Farbschicht dürften künstlich entstanden sein, "durch brechen oder backen", erklärt Hofbauer. Weiters wären Schattenpartien an vielen Stellen aufgemalt, statt durch die Lasur durch zu "scheinen".

Insgesamt wirke die Malerei, als ob sie "erst nach der Fertigstellung auf die Holztafel übertragen" worden wäre. Und das sind nur einige der Indizien. Im Original, gesteht er ein, habe er das Bild noch nie gesehen. Es harrt derzeit im Louvre bevorstehender wissenschaftlicher Untersuchungen.

Derweil wurden Hintergründe bekannt, die Aufschluss über die anonyme Anzeige liefern. Denn die Venus war, wie andere verdächtige Werke, darunter ein bis vergangene Woche in der National Gallery (London) als Leihgabe aus Privatbesitz präsentierter Orazio Gentileschi (um 1612), in einer französischen Privatsammlung beheimatet. Aus dieser wechselte das Bild von 1973 an einige Male den Besitzer.

2012 kam ein Zwischenhändler ins Spiel. Dieser dürfte jedoch weniger an dem Deal verdient haben als Bernheimer-Colnaghi, die das Bild für 3,2 Millionen Euro erwarben und für deren sieben in der fürstlichen Sammlung platzierten. Ob sich die Untersuchungsrichterin womöglich für den Racheakt eines übervorteilten Zwischenhändlers instrumentalisieren ließ, muss vorerst eine Mutmaßung bleiben. (Olga Kronsteiner, 19.3.2016)